Heidelberger Geschichtsverein e.V.                                                                                                         HGV

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Die Pfalzgrafen bei Rhein

Die Pfalzgrafen (von lat. palatinus "der im Palast bzw. bei Hofe") im Hl. Römischen Reich waren Amtsträger und Vertreter des Königs. Sie standen dem Hofgericht vor und hatten eine leitende Funktion allgemeiner Art inne. Außerdem fungierten sie als Verbindungsleute zwischen Bittstellern aus dem Reich und dem König.

In der Merowinger- und Karolingerzeit waren Pfalzgrafen leitende königliche Amtsträger bei Hofe mit vorwiegend administrativen und richterlichen Aufgaben. Mit diesem Amt wurde ihnen oft auch die Herrschaft über eine Königs- bzw. Kaiserpfalz mit Gefolge und zugehörigen Gütern verliehen. Diese burgähnlichen Pfalzen bzw. Königshöfe lagen verstreut über das Königreich in unterschiedlichen Herzogtümern.

In Rahmen der Entwicklung des deutschen Königreichs aus dem ostfränkischen auf der Grundlage der Stammesherzogtümer des Ostfrankenreichs erhielten die Pfalzgrafen weitgehende königliche Sonderrechte, um den Zusammenhalt des Königtums politisch zu sichern und die mächtigen Herzöge in Schach zu halten. Dabei entwickelten sich seit Ende des 10. Jahrhunderts in den Stammesherzogtümern Sachsen, Bayern, Schwaben und Lothringen Stammes-Pfalzgrafen als Vertreter und Wahrer der königlichen Rechte. Die Pfalzgrafenwürde war nun nicht mehr mit der ursprünglichen Aufgabe der Betreuung einer Königspfalz verbunden, sondern beinhaltete eine Art Kontrollfunktion und Vertretung des Königs innerhalb der Stammesherzogtümer und damit auch die zweite Position nach dem Herzog innerhalb des Herzogtums. Damit verbunden war eine Rangerhöhung gegenüber anderen Grafen des Herzogtums und das Recht, das Richteramt an Königs Statt auszuüben. Damit einher gingen Jagd-, Zoll- und Münzrecht.

Bedeutend war nur der lothringische Pfalzgraf, der mit Landbesitz am Niederrhein ausgestattet war und seinen Amtssitz in Aachen hatte. Er gewann seit dem 12. Jahrhundert reichen Besitz am Mittel- und Oberrhein, im Hunsrück, im Pfälzer Wald und im Odenwald. Er erreichte als Pfalzgraf bei Rhein („comes palatinus de Rheno“, 1131) herzogsgleiche Stellung, nahm als Erztruchseß das vornehmste Hofamt am Königshof ein, wurde Kurfürst und Reichsvikar in den Ländern fränkischen Rechts und am Rhein. Die übrigen Pfalzgrafschaften gingen schon früh ein.

Eine strikte Ämtertrennung z. B. zwischen Pfalzgrafen einerseits und anderen Fürstenämtern gab es nicht. Mächtige Pfalzgrafen waren oft auch Land- oder Markgrafen, Herzöge oder auch kirchliche Fürsten. Damit wuchs dem Herrschaftsbegriff Pfalz im Heiligen Römischen Reich eine neue Bedeutung zu. Pfalz bezeichnete danach nicht nur befestigte Königshöfe, sondern auch von Pfalzgrafen bzw. Kurfürsten beherrschte Territorien.

Später wurde die Bezeichnung zu einem erblichen Titel in verschiedenen deutschen Fürstenhäusern. Im Heiligen Römischen Reich zählten ab dem Spätmittelalter Herzöge, Land-, Mark- und Pfalzgrafen zum Reichsfürstenstand. Hinzu kamen die kirchlichen Fürsten: Erzbischöfe, Bischöfe und die Äbte und Äbtissininnen von Reichsabteien.

Der dem Hause Wittelsbach entstammende Pfalzgraf bei Rhein („comes Palatinus de Rheno“) war seit 1214, endgültig seit 1356 einer der sieben Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches und in Abwesenheit des Königs dessen Stellvertreter (Reichsvikar). Die wichtige Kurfürstenwürde überdeckte dabei den Pfalzgrafentitel und ließ die Bezeichnung "Pfalz" allmählich zum Namen für die Territorien dieses "Kurfürsten von der Pfalz" (Kurpfalz) bzw. für Länder mit ihm verwandter Nebenlinien (z.B. Pfalz-Neumarkt und die daraus entstandene Oberpfalz) werden.

Als der Kurfürst von der Pfalz 1777 das Kurfürstentum Bayern erbte, entstand kurzfristig der Doppelstaat "Pfalz-Bayern". Der linksrheinische Teil der Pfalz ging jedoch sehr bald an Frankreich verloren, dessen Herrscher Napoléon Bonaparte Bayern 1805 zum Königreich erhob. Als Teile der alten Kurpfalz 1814/15 an Bayern zurückkamen, änderte dies am nunmehr rein bayerischen Landesnamen nichts mehr, und "die Pfalz" war nun eine bayerische Provinz unter anderen. 1945 wurde sie von Bayern abgetrennt und mit dem Südteil der bisherigen preußischen Rheinprovinz zum neuen Bundesland Rheinland-Pfalz vereinigt. In diesem Namen (und in dem des bayerischen Regierungsbezirks Oberpfalz) lebt der Bedeutungswandel des Begriffes "Pfalz" bis heute fort.

http://de.wikipedia.org/wiki/Pfalzgraf

Chronologie

916: erste Nennung eines Pfalzgrafen für Lothringen (Graf Wigrich)

989: Beginn der nachweisbaren Kontinuität des Pfalzgrafenamtes in der Familie der Ehrenfriede oder Ezzonen (Hermann und sein Sohn Ezzo) mit Besitzbasis im Bonngau, Eifelgau, Zülpichgau und Auelgau, dazu mit weitreichenden Vogteirechten über Kirchen und Klöster an Rhein und Mosel.

991: Ezzo III. heiratet Mathilde, Tochter des Kaiser Otto II. und der Theophanu

um 1023: Pfalzgraf Ezzo und seine Frau Mathilde gründeten das Kloster Brauweiler an der Erft

1043: Ezzo†, Übergang der Pfalzgrafschaft an Ezzos Neffen Heinrich. Das Hausgut der Ezzonen fällt weitgehend an die Kölner Kirche

1085: Pfalzgraf Hermann III., der letzte Vertreter der alten Pfalzgrafenfamilie der Ezzonen/Hezeliniden, stirbt

1086-1095: Heinrich II. von Laach, der durch die Ehe mit der Witwe des Pfalzgrafen Hermann, Adelheid von Weimar-Orlamünde, (†28. März 1100, Witwe des Pfalzgrafen Hermann II. von Lothringen) an die Verwandtschaft der Ezzonen/Hezeliniden anknüpft, nennt sich als erster „Pfalzgraf bei Rhein“.

um 1093: Gründung des Klosters Maria Laach und Ausstattung mit Familienbesitz

1095-1099: Heinrich III. von Limburg rheinischer Pfalzgraf

1099-1113: Siegfried von Ballenstedt, Sohn Heinrichs II., rheinischer Pfalzgraf

1113-1125: Gottfried von Calw rheinischer Pfalzgraf

1125-1140: Wilhelm von Weimar rheinischer Pfalzgraf

1140-1141: Heinrich IV. Jasomirgott rheinischer Pfalzgraf

1142-1156: Hermann III. von Stahleck rheinischer Pfalzgraf (Burg Stahleck bei Bacharach ist im 12. Jahrhundert Residenz der Pfalzgrafen und Zentrum der Pfalzgrafschaft bei Rhein)

1156: auf dem Reichstag zu Worms belehnt Kaiser Friedrich I. Barbarossa seinen Halbbruder Konrad von Hohenstaufen anstelle des abgesetzten Hermann von Stahleck mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein (Reichsrichter und Stellvertreter des Königs). Das Amt wird so zum Namensgeber des Landes Pfalz. Das Territorium wird um den ehemaligen Königsbesitz der Salier um Alzey verlegt.

1189: Erzbischof Philipp von Köln belehnt Pfalzgraf Konrad von Staufen auf dessen Bitte in Gemeinschaft mit dessen Gemahlin Irmgard und dessen Tochter Agnes mit der Burg Stahleck und mit der Vogtei zu Bacharach

1195: Pfalzgraf Konrad von Hohenstaufen stirbt

1195: Heinrich I. von Braunschweig (Heinrich der Welfe,1173/74-1227), Schwiegersohn des Konrad von Hohenstaufen, wird Pfalzgraf bei Rhein. Er residiert nicht in Heidelberg, sondern in seinem Stammland Braunschweig.

1211-1213: Pfalzgraf Heinrich II. (der Jüngere, Sohn Heinrichs I. von Braunschweig,†1214)

Heinrich II. gibt die Pfalzgrafschaft im Zug der Thronstreitigkeiten seines Onkels Otto IV. mit dem Staufer Friedrich II. auf. Die Pfalzgrafschaft wird an seinen Schwager Otto II. von Bayern gegeben, für den dessen Vater Ludwig I. von Wittelsbach bis 1228 die Regierung führt.

1214: Pfalzgraf Heinrich II. (der Jüngere, Sohn Heinrichs I. von Braunschweig) stirbt kinderlos

September/Oktober 1214(-1228): Ludwig I. von Wittelsbach, Herzog von Bayern („der Kelheimer“, Schwiegersohn des Pfalzgrafen Heinrich von Braunschweig) wird Pfalzgraf bei Rhein und macht Heidelberg zu seinem Stammsitz (sein Sohn Otto II. von Bayern („der Erlauchte“) war mit der Erbin von der Pfalz verlobt). Damit kommt der goldene Pfälzer Löwe auf schwarzen Grund als Wappentier nach Bayern.

1228-1253: der Wittelsbacher Otto II. von Bayern („der Erlauchte“) wird Pfalzgraf bei Rhein. Er verlegt die Residenz von Stahleck (bei Bacharach) nach Heidelberg (bis 1720).

1253(-1294): der Wittelsbacher Herzog Ludwig II. von Bayern („der Strenge“) (geboren 1229 in Heidelberg) wird Pfalzgraf bei Rhein

29. November 1274: Pfalzgraf Ludwig II. läßt sich durch einen Spruch der Reichsfürsten bestätigen, daß er als Pfalzgraf bei Rhein von alters her Richter bei Klagen des Königs gegen einen Reichsfürsten sei.

1294-1319: der Wittelsbacher Rudolf I. („der Stammler“) Pfalzgraf bei Rhein

?1294-1329: Pfalzgraf Ludwig IV. der Bayer Regent der Pfalz (1314 König, 1327 Kaiser)

1329-1353: Rudolf II. (“der Blinde”) und Ruprecht I. (“der Rote”) gemeinsam regierende Pfalzgrafen

5. Oktober 1353: Pfalzgraf Rudolf II. stirbt in Neustadt an der Hardt

1356-1390: Ruprecht I. (“der Rote”) Kurfürst von der Pfalz

1356: Der Pfalzgraf bei Rhein wird Kurfürst, Erztruchseß, Reichsvikar bei Thronvakanz. Seitdem wird die Pfalz bei Rhein Kurpfalz genannt.

17. Februar 1390: Kurfürst Ruprecht I. stirbt in Neustadt an der Haardt

1806: Maximilian IV. Joseph, der letzte Pfalzgraf bei Rhein, steigt als Maximilian I. zum König des Königreichs Bayern auf

13. Oktober 1825: Maximilian IV. Joseph stirbt in Nymphenburg



Literatur:

Hans Jörg Probst, Pfalzgrafen und Pfalzgrafschaft von den Anfängen bis 1400, in: Hans Jörg Probst (Hg.), Mannheim vor der Stadtgründung (Teil II, Bd. 1). Mittelalter und frühe Neuzeit im unteren Neckarland. Das Dorf Mannheim. Regensburg 2006, S. 142ff.

Kurfürsten von der Pfalz

Literatur zur Pfalz

http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/artikel.php?ArtikelID=62 (Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen)

http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/pfalz/pfalz.htm

http://www.ingelheimergeschichte.de/geschichte0105/pfaelzisch.html (Begriff „Pfalz“)