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König Ludwig (I.) von Bayern und die badische Pfalz

„(König Ludwig von Bayern) verletzte die Hofburg (Wien) empfindlich, indem er den unglücklichen Streit um die badische Pfalz, der seit den Beschlüssen des Aachener Kongresses endlich begraben schien, sogleich wieder auferweckte. In Rohrbach und Mannheim erzogen, füllte er sich ganz als Pfälzer, und wie er schon als Kronprinz die vorgeblichen Ansprüche seines Hauses mit der äußersten Hartnäckigkeit verteidigt hat, so hielt er es jetzt für königliche Ehrenpflicht, um jeden Preis sein Heimat wieder unter wittelsbachische Herrschaft zu bringen. Eine Fülle des Segens sollte sich über das schöne Land ergießen: Der Otto-Heinrich-Bau in Heidelberg sollte auferstehen aus seinen Trümmern, Mannheim die prunkende Residenz des Bundestags werden, und wenn erst die Festungsreihe Philippsburg-Germersheim-Landau gebaut war, dann wurde Bayern das Preußen des Oberrheins!

Verständigerweise ließ sich garnicht erwarten, daß die großen Mächte ihre dem badischen Hofe gegebenen Zusagen ohne jeden Grund zurücknehmen würden. Ludwig aber glaubte, dasselbe Rußland, das in Aachen für Badens Recht eingetreten war, werde sich jetzt mit einem Male auf Bayerns Seite stellen, Nach der Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus sendete er seinen Wrede, um Glück zu wünschen, nach Petersburg und schrieb dem Zaren eigenhändig, er betrachte es als ein gutes Zeichen, daß sie bei fast gleichzeitig die Krone erlangt hätten. Dann bat er um Rußlands Beistand und vergaß in seiner Begehrlichkeit sogar seinen gerühmten teutschen Stolz: „Ich sehe,“ so beteuerte er, „in Rußland die stärkste Stütze Bayerns, ich wiederhole es, das ist mein politisches Glaubensbekenntnis!“ Zar Nikolaus gab, wie zu erwarten stand, eine höflich ausweichende Antwort, vergeblich wurde sein Gesandter in München mit Auszeichnungen überhäuft. Nun schrieb Graf Bray eine große Denkschrift Sur la reversibilité du Palatinat, welche sämtlichen europäischen Höfen zuging. Dann ließ der König auch die erloschenen Sponheimer Erbansprüche hervorholen und die seltsame Forderung aufstellen: bei der Thronbesteigung der Grafen von Hochberg, deren Erbrecht doch von allen Großmächten längst anerkannt war, müsse Baden seinen Main-Tauber-Kreis als Entschädigung für Sponheim an Bayern abtreten.

Und wie plump wurden diese nichtigen Ansprüche verteidigt, wie taktlos stellte der König seine persönliche Würde bloß. Umsonst suchten gehässige Flugschriften und Zeitungsartikel die öffentliche Meinung für den rechtmäßigen Pfalzgrafen zu begeistern. Der badische Staatsrat Winter fertigte die Angreifer durch eine gründliche Denkschrift siegreich ab. Auch Drohungen wurden laut, mehrmals befürchtete die gute Stadt Heidelberg einen Handstreich der Nachbarn, obschon das bayrische Heer eben jetzt zu kühnen Kriegstaten wenig befähigt war.

Im August 1826 reiste der König von Würzburg nach Aschaffenburg und verweilte eine Zeitlang dicht an der Grenze des badischen Mainlandes, das er sich zur Beute ausersehen hatte. Die Münchener politische Zeitung berichte darüber: „Berge und Täler wetteiferten, dem erhabenen Reisenden die unbegrenzte Freude aller Bewohner über eine so beglückende Erscheinung auf das Glänzendste an den Tag zu legen. Himmel und Erde jauchzten freudetrunken zusammen. Aus dem badischen Wertheim kamen die Mütter mit ihren Säuglingen auf den Armen, der Handwerker schloß seine Werkstätte, sogar der Taglöhner vergaß seine Arbeit und seinen Erwerb. Die Freude der benachbarten Landbewohner glich ganz jener der Eingebornen und drückte so recht deutlich ihren Wunsch aus, auch Angehörige eines Fürsten zu sein, dessen Stolz die Liebe seines Volkes ist.“

Als der badische Gesandte sich über diese wundersame Sprache beschwerte, erwiderte der Minister Graf Thürheim achselzuckend, der Herausgeber habe den Artikel genau so abgedruckt, wie er ihm von gewisser Seite zugesandt worden sei!

Jahrelang wiederholten sich diese kindischen Auftritte. Im Frühjahr 1829 bereiste der König die bayrische Pfalz, bog plötzlich von. der geraden Straße ab und erschien an einem Feiertage auf der Rheinschanze, Mannheim gegenüber. Auf dieser Stelle , wo späterhin unter Ludwigs tatkräftiger Fürsorge das gewerbfleißige Ludwigshafen aufblühte, standen damals nur einige verrufenem Schmugglerhäuser, ein Gasthof und ein bayerisches Zahlenlottobureau, bestimmt zur freundnachbarlichen Ausbeutung der Mannheimer Geldbeutel. Man hatte dafür gesorgt, daß des Königs Ankunft bekannt wurde. Eine dichte Menschenmenge strömte in dem anrüchigen Orte zusammen, der Monarch empfing gute Bekannte, erschien mehrmals am Fenster des Gasthofes, mit zärtlichen Blicken nach Mannheim hinüberwinkend. Auch die königliche Muse plauderte oftmals mit stolpernden Versen die stille Sehnsucht der Wittelsbacher aus, als die Hoffnungen zu schwinden begannen, hauchte sie die schmelzende Klage:

Der Pfalzgraf bei Rhein,
Er wandert all ein
In dem heimatlichen Land
Wie lieb er dasselbe auch hat,
So geht er doch schweigend den Pfad
Und nicht will er werden erkannt!

Die Erwerbung der Pfalz wurde dem Könige zu einer fixen Idee, die ihn tagelang nicht mehr losließ. Die unerbetenen Wohltaten, die er als Greis noch den pfälzischen Städten spendete, das Dalbergstandbild in Mannheim, das traurige Wrededenkmal in Heidelberg, bezeichneten das letzte elegische Austönen der in den zwanziger Jahren angeschlagenen Sirenenklänge. Daß die Pfälzer selber seine Gefühle teilten, schien dem Könige zweifellos, obwohl sich in Wahrheit nur noch zu Mannheim vereinzelte Spuren pfalzbayrischer Gesinnung zeigten.“

(aus: Heinrich Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Im F.W. Hendel Verlag zu Leipzig 1927. Dritter Teil, Bis zur Julirevolution, Seite 605f.)

Des Heidelberger Schlosses Wiedersehen im Sommer 1810