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Die Dauerausstellung „Heidelberger Stadtgeschichte“ im Kurpfälzischen Museum

Das Kurpfälzische Museum der Stadt Heidelberg eröffnete seine jüngste Abteilung „Stadtgeschichte“ am 22. September 1996 im Rahmen der 800-Jahrfeier Heidelbergs. Gezeigt werden auf mehr als 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche rund 450 Objekte aus dem Bestand des Museums sowie von öffentlichen und privaten Leihgebern: Gemälde, Skulpturen, Steinfragmente, Erzeugnisse des Kunsthandwerks, archäologische Funde, Fotos, Bücher und Reproduktionen aus dein Grafischen Kabinett.

Geschichte

Den Grundstock des Kurpfälzischen Museums bildet die Sammlung des 1810/11 vor den Auswirkungen der Revolution aus Frankreich geflohenen Grafen Charles de Graimberg (1774-1864). Graimberg, Künstler, Denkmalpfleger und Sammler, kam am 4. Oktober 1810 nach Heidelberg, wo „einige alte Pfälzische Münzen, welche Herr v. Graimberg in dem Heidelberger Schlosse fand“ ihn angeblich dazu veranlaßten, sich für den Erhalt der zum Steinbruch degradierten Schloßruine einzusetzen und unter Einsatz seines Vermögens eine Sammlung pfälzischer Kunst und Kulturgegenstände zusammenzutragen, deren Katalog im zweiten Nachtrag von 1843 bereits 3861 Nummern umfaßte. Diese immer umfangreicher werdende Sammlung enthielt schon bald an die 2000 Ölgemälde, darunter vor allem die Porträts der kurfürstlichen Familie und ihrer Verwandten, 900 Zeichnungen und Aquarelle, 2000 Kupferstiche und andere druckgraphische Blätter, 1200 Urkunden, über 2000 Münzen und Medaillen, mehr als 1000 Gefäße, Geräte, Waffen, Erzeugnisse der kurpfälzischen Porzellanmanufaktur Frankenthal und sonstige kunsthandwerkliche Objekte.

Wie die Sammlung altdeutscher Gemälde der Brüder Boisserée am Karlsplatz erweist sich auch Graimbergs Sammlung als Gründung der Romantik. Nachdem das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 unter den Schlägen der Armee Napoleons zerbrochen war, erwachte in den durch den „Weltgeist zu Pferde“ neugeordneten deutschen Fürstentümern ein immer stärker werdendes historisches Bewußtsein. Vielerorts besann man sich auf seine Vergangenheit und wurde sich des untergegangenen Kaiserreichs in romantischer Verklärtheit erstmals schmerzlich bewußt. Speziell in Heidelberg, der langjährigen Hauptstadt der 1803 im Reichsdeputationshauptschluß aufgelösten Kurpfalz, war das Bedürfnis nach historischer Identität besonders ausgeprägt.'

Graimberg erwarb in seinem Sammeleifer oft „ganze Lasten“, um nur einige für seinen Zwecke passende Stücke zu bekommen. Einmal sah er sich gar genötigt, „über achtzig Stücke zu nehmen, von denen nur drei bis vier Bildnisse und zwei kleine Vorstellungen in die Alterthümerhalle eingehen konnten“. Kein Wunder, daß das Brückenhaus am Eingang des Schlosses bald zu klein wurde und er 1839 von der Pflege Schönau das Haus am Kornmarkt für sich und seine Sammlung kaufte. Noch heute trägt das „Palais Graimberg“ die Inschriften, die an seinen damaligen Verwendungszweck erinnern: über dem Eingang „Halle der Altertümer des Heidelberger Schlosses“, auf dem Bogen der großen, damals eigens eingebrochenen halbrunden Fenster zum Kornmarkt hin: „Halle der Kupferstiche des Heidelberger Schlosses“ und „Galerie des gravures du Château de Heidelberg“. Teile der Sammlung stellte er indessen ab 1850 wieder gegen teure Miete im Vorbau des „Gläsernen Saalbaus“ im Schloß aus, später konnte er sogar noch das erste Obergeschoß des Friedrichsbaus hinzugewinnen.

Nach Graimbergs Tod 1864 setzte sich Rechtsanwalt Albert Mays für den Erhalt der Sammlung ein und erreichte, nachdem Teile bereits veräußert worden waren, mit Hilfe des Malers Wilhelm Trübner den Ankauf durch die Stadt Heidelberg am 31. Dezember 1878 zu einem Preis von 42.000 Mark. Die Stadt kaufte 1906 von den Erben der Familie von Chelius das barocke Palais Morass in der Hauptstraße 97 und eröffnete es 1908 als „Städtische Kunst und Alterthümersammlung zur Geschichte Heidelbergs und der Kurpfalz“, 1921 umbenannt in „Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg“

Charles de Graimberg, dessen großformatiges Ölporträt von dem Heidelberger Maler Guido Schmitt (1834-1922) die Museumsbesucher bereits von der barocken Hofdurchfahrt aus erkennen können, hat durch seine breit angelegte Sammlung die Weichen für ein künftiges Vielspartenmuseum mit Abteilungen für Gemälde und Skulpturen, Grafik, Kunsthandwerk und Archäologie gestellt. Und da er in seinem Sammeleifer eine unübersehbare Vorliebe für die Pfälzer Kurfürsten entwickelte, hat er dem in Heidelberg weit verbreiteten Eindruck Vorschub geleistet, die darstellbare Geschichte der Stadt sei identisch mit der der Kurfürsten von der Pfalz und deren Leistungen, womit in erster Linie die von Kurfürst Ruprecht I. im Jahre 1386 gegründete Heidelberger Universität gemeint war. Zum Beweis hierfür mag an die Ausstattung des Großen Rathaussaals erinnert werden. Seit 1888 berät der Gemeinderat der Stadt unter den strengen Blicken der bedeutendsten Pfälzer Kurfürsten sowie der Liselotte von der Pfalz. Das Hauptgemälde in der mittleren Lunette des Sitzungssaals zeigt eine Huldigung an Fürst und Universität und den Kurfürsten Ottheinrich bei der Übergabe der reformierten Universitätsstatuten 1558 im Heidelberger Schloß. Oder man denke an das 1886 unter großer Beteiligung der Bürgerschaft begangene Jubiläum zum 500jährigen Bestehen der Universität. Daß irgendein geschichtsbegeisterter Heidelberger 1896 auf die Idee gekommen wäre, die 700jährige Wiederkehr der urkundlichen Ersterwähnung Heidelbergs zu feiern, ist nicht überliefert.

Es ist das Verdienst von Museumsdirektor Jörn Bahns, die aus historischer Sicht längst überfällige Abteilung Stadtgeschichte im Jahre 1984 als eigene Abteilung im Kurpfälzischen Museum begründet zu haben. Susanne Himmelheber, erste Leiterin der jungen Abteilung, konnte 1981-84 Teile ihres Konzepts im Keller des Palais Morass als Steinsammlung zur Stadtgeschichte verwirklichen. Doch blieb es zunächst bei diesen hoffnungsvollen Ansätzen, denn kurz nach Beginn des zweiten Bauabschnitts wurde das Lapidarium wieder geschlossen und die Prioritäten in Richtung der anderen Abteilungen des Museums verschoben.

Erst im Vorfeld der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 800jährigen Geburtstag der Stadt und genau zehn Jahre nach Gründung der Abteilung bewilligte der Heidelberger Gemeinderat die erforderlichen Finanzmittel zur Einrichtung der Stadtgeschichte als Dauerausstellung, die mit ihrer Eröffnung den Schlußpunkt einer insgesamt 18 Jahre dauernden Erweiterung und Neugestaltung des Kurpfälzischen Museums setzte.

Konzept

Ausgehend von dem Bestand und unter Berücksichtigung jüngster stadthistorischer und archäologischer Erkenntnisse zeigt die Abteilung Brennpunkte der historischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung Heidelbergs vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. Statt eines streng chronologisch aufgebauten Rundgangs ist die Ausstellung in acht Themenschwerpunkte gegliedert: Steindenkmälder aus der Stadtgeschichte - Die Alte Brücke - Leben in Heidelberg um 1600 (Kornmarktfunde), Heidelberger Romantik - Revolution 1848/49 - Heidelberg um 1900 - Nationalsozialismus - Universität. Konzeptionelle Vorgabe war, daß sich die Stadtgeschichte in ihrer Präsentation einerseits in das seit 1984 in mehreren Teilschritten verwirklichte Ausstellungskonzept des Kurpfälzischen Museums ergänzend einfügen wollte, andererseits aber sowohl thematisch als auch formal ein eigenständiges Profil erhalten sollte und sich drittens mit den vorhandenen räumlichen Kapazitäten im Erdgeschoß und Kellerbereich des Palals Morass sowie deren denkmalpflegerischen und konservatorischen Vorgaben abfinden mußte.

Ein weiterer grundlegender Ausgangspunkt der Präsentation war, die Originale als authentische Zeugnisse ihrer Zeit auszustellen, Themen und Funktionszusammenhänge aber durch erklärende Texttafeln, Fotoreproduktionen oder Modelle herzustellen. Dabei sollten die ausgestellten Gemälde und Skulpturen nicht zum bloßen Zeitdokument funktionalisiert, sondern in ästhetisch angemessener Weise präsentiert werden. Für die barocken Madonnenfiguren von Häusern der Heidelberger Hauptstraße oder den Löwen vom Löwenbrunnen bedeutet dies zum Beispiel die Aufstellung über Augenhöhe, um die ursprünglich intendierte Ansicht von unten zu ermöglichen. In den Räumen des 19. Jahrhunderts wurde durch eine zeittypische Farbgebung der Raumschale sowie durch eine zeitstimmige Beleuchtung und die vorsichtige Andeutung einer Möblierung die historische Aussage in ihren sinnlich begreifbaren Zeitzusammenhang gerückt.

Ausstellungsgestaltung

Die Neugestaltung der Ausstellungsräume und die Austellungsarchitektur entwickelte der Heidelberger Architekt Dieter Quast, der seit vielen Jahren erfolgreich als Museumsarchitekt in Heidelberg, Karlsruhe und Kassel hervorgetreten ist. Zu seinen schwierigsten Aufgaben gehörte es, in den in sich verschiedenen historischen Räumen Bedingungen für die Aufstellung der unterschiedlichen Objekte zu schaffen, die nicht nur den inhaltlichen und konservatorischen, sondern auch den ästhetischen und baurechtlichen Auflagen genügten. Dabei mußte ein vernünftiger Ausgleich gefunden werden zwischen der vorhandenen Raumwirkung, den Erfordernissen der didaktisehen Gestaltung und der Aura der ausgestellten Objekte. Abgesehen von der Präsentation der Kornmarktfunde, verbot sich deshalb von selbst die Verwendung aufwendiger Inszenierungen.

Die verschiedenen Raumeinheiten werden durch den Wechsel zwischen helleren und dunkleren Bereichen, zwischen Tages und Kunstlicht strukturiert, wobei hier wie bei der Wahl der architektonischen Mittel auf jegliche Theatralik verzichtet wurde. Die Wände wurden nach Befund gestrichen, die Decken in einer neutralen Farbgebung gehalten, der vorhandene Bodenbelag, Steinplatten und Parkett, respektiert.

Aus: Frieder Hepp, Graimbergs Vermächtnis. Die Dauerausstellung „Heidelberger Stadtgeschichte“ im Kurpfälzischen Museum, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein 2/1997, S. 231ff.


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