Heidelberger Geschichtsverein e.V. HGV

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Das Heidelberger Blutgericht im 18. Jahrhundert

Die Hinrichtung eines Verbrechers erfolgte nach genau vorgeschriebenen Formen und nach altem Gerichtsgebrauch.

Einige Tage vor der festgesetzten Exekution trat der ganze Stadtrat in „ordinairen Kleydungen“ im Rathaus zusammen, wo sodann das Urteil verlesen wurde. Dann begaben sich die beiden Ratsbürgermeister mit dem Stadtschreiberei-Verwalter oder einem sonstigen Schreiber zu dem Gefängnis, um dem dort gefangen gehaltenen Delinquenten seinen Tod anzukündigen. Anschließend wurde der Gefangene unter starker Bedeckung (...) auf das Rathaus und dort in das „Armesünderstübchen“ gebracht.

Am nächsten oder übernächsten Tag wurde sodann das Todesurteil auf dem Markt öffentlich verlesen. Die ganze Bürgerschaft nebst Bürgerkompanien hatte sich hierzu einzufinden. Desgleichen hatte z. B. 1762 der Stadtrat auf allerhöchsten Befehl den Rektor der Universität zu veranlassen, an diesem Tag die Vorlesungen ausfallen zu lassen, damit die Studenten der Exekution zuschauen konnten, „um an sothaner Begebenheit ein abscheuendes exempel zu nehmen“.

Auf dem Markt vor dem Rathaus war inzwischen unter Aufsicht eines Ratsherrn ein Gerüst aufgeschlagen und ein mit schwarzem Tuch bedeckter Tisch aufgestellt worden.

Nachdem das Blutgericht dreimal eingeläutet worden war, begab sich der gesamte Stadtrat, nun in schwarzen Kleidern und Mänteln, zu dem Gerichtsplatz und erwartete, vor schwarzen Stühlen stehend, das Gericht. Dieses nahm sodann an dem schwarz dekorierten Gerichtstisch seinen Sitz ein, während der nun vorgeführte „Inquisit“ dem Gericht gegenüber seinen Platz einzunehmen hatte.

Nach Übergabe des Gerichtsstabes an den Stadtdirektor eröffnete dieser unter Wechselreden (und nachdem ihm geantwortet worden war, daß es die gerechte Zeit und das Gericht gehörig besetzt sei) das Blutgericht: „Weil dann also dieses Blutgericht gehörig besetzt, und da es gerechte Zeit ist, es zu eröffnen, so eröffne ich es hiermit, im Angesicht des Himmels und der Erde!“

Der Inquisit mußte sodann vortreten, worauf das Urteil von dem Stadtschreiber verlesen wurde.

Daraufhin sprach der Stadtdirektor: „Mit dem Schwert sollst Du also hingerichtet werden vom Leben zum Tode! – Gerecht, im höchsten Grade gerecht ist dieses Urteil; verdient von Dir, verdient im höchsten Grade ist diese Strafe! – Dein Leben ist verwirkt; auf dieser Erde ist für Dich kein Bleibens mehr; - ich zerbreche mit diesem Stabe zugleich das Band zwischen der Menschheit und Dir. – Nur bei Gott kannst Du noch Gnade finden! Wehe über Dich! Wehe!! Wehe!!“ Mit diesen Worten wurde der Stab zerbrochen und dem armen Sünder vor die Füße geworfen.

Der Delinquent wurde nun dem Scharfrichter übergeben, damit dieser ihn richte „mit der Schärfe des Schwertes der Gerechtigkeit vom Leben zum Tode“, und das Blutgericht geschlossen.

Anschließend wurde der Delinquent unter Bedeckung und Begleitung des Heidelberger Bürgermilitärs zur Richtstätte geführt. Dort gebot der Stadtdirektor „von Obrigkeits wegen“ dem versammelten Volk – bei Leib und Gut – dem Nachrichter keine Hinderung zu tun, auch an diesen keine Hand anzulegen, wenn die Exekution mißlingen solle: „und sollte er fehlen, so wird auch ihn sein Richter finden“. „Darum Friede ihm! Friede! Friede!“

Als besondere Gnade konnte bestimmt werden, daß die Hand des Scharfrichters den Verbrecher nicht berühren durfte: „die gnädigste Verordnung abhanden, daß der arme Sünder von des Nachrichters Händen nicht berührt werden solle, so wurde beschlossen, daß nach beschehener publication des Todtes urtheil, derselbe von dem bittel mit einem Strick an beyden Armen gebunden und solcher gestalten auff den Stuhl gesetzt und die Augen verbunden, nicht minder der Hals entblößt werden solle, welches zu besorgen dem H. Bürgermeister der Auftrag geschehen“.

Nach vollendeter Hinrichtung grüßte der Nachrichter das Gericht mit dem Schwerte und fragte: „Richter, hab ich recht gerichtet?“ Der Stadtdirektor antwortete: „Ihr habt gerichtet, wie Recht und Urteil spricht, darum habt Ihr Recht gerichtet“.

Auf dem Rückmarsch war es gestattet, das Spiel zu rühren, während dies auf dem Hinzug zur Richtstätte untersagt war.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß ein heimlich Begnadigter ebenfalls zur Richtstätte geführt wurde, nachdem vorher das Blutgericht gesprochen hatte, und die ganze Prozedur bis zum Zücken des Schwertes vollzogen wurde: „daß dem Delinquenten das erkannte Todtesurtheil verkündet, selbiger mithin zur Richtstatt, doch ohne Berührung vom Nachrichter ausgeführet und bis auf Zückung des Schwerdtstreichs geängstiget, demnächst die Begnadigung insoweit eröffnet, daß...derselbe zu lebendwüriger [sic] Arbeith im Zuchthaus zu Mannheim auff eigen Kosten angehalten werden solle...“

aus: Werner Braun, Gerichtsverfassung und Prozeß des Heidelberger Stadtgerichts im 18. Jahrhundert (Heidelberg, Univ., Diss., 1953). 1953, S. 67ff.