Heidelberger Geschichtsverein e.V.

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Personen um das Rohrbacher Schlößchen

Nicht ohne weiteres im Vorbeifahren von außen erkennbar und daher nicht jedem Heidelberger bewußt ist das Gebäude des Rohrbacher Schlößchens im Areal der Thoraxklinik der Landesversicherungsanstalt Baden an der Parkstraße/Schelklystraße im Stadtteil Rohrbach. Dabei bildet das Schlößchen den baulichen Ausgangspunkt für die Reihe der bayerischen Könige im 19.Jahrhundert bis zum Ende des Weltkrieges und hat als Sommersitz der Markgräfin Amalie von Baden, der "Schwiegermutter Europas", zu Beginn jenes Jahrhunderts auch eine Bedeutung für die badisch-europäische Geschichte.

Im Jahre 1770 erwarb Erzherzog Carl August von Pfalz-Zweibrücken Ländereien um das Dorf Rohrbach bei Heidelberg, sowie auf Heidelberger Gemarkung den Bierhelderhof. Er wollte hier für sich und seine Gesellschaft Jagden veranstalten und plante daher den Bau eines Jagdhauses.

Den Eindruck von dem ursprünglichen Aussehen des bei Rohrbach entstandenen Schlößchens vermittelt ein im Besitz des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg befindliches Gemälde des Malers Philipp Le Clerk. Mit einer weißen, barocken Fassade nach Westen ins Rheintal gewandt, erhebt sich das Schlößchen vor der Höhe des Königstuhls und spiegelt sich in einem vor der Front künstlich angelegten See. Eine Reproduktion des Bildes ist als Supraporte noch heute in dem in der alten Ausstattung überkommenen Saal im Erdgeschoß des Schlößchens über der Tür zum Hausflur zu erkennen.

Prinz Carl August von Zweibrücken war ausersehen als Nachfolger seines Onkels Herzog Christian IV, der in nicht-ebenbürtiger Ehe mit der früheren Ballettänzerin Marianne Maria Johanna Franziska Camasse, späteren Gräfin von Forbach, verheiratet war. Wegen der mangelnden Ebenbürtigkeit der Ehefrau waren die aus dieser Ehe entsprungenen Kinder nicht erbfolgeberechtigt. Infolgedessen kam als Erbe des 1775 verstorbenen Herzogs Christian IV. der älteste Sohn des jüngeren Bruders Pfalzgraf Friedrich Michael, Erbprinz Carl August, in Betracht.

Carl August hat in der Kurpfalz den Eindruck des lebensfrohen, genußorientierten Jagdfreundes hinterlassen. Wenn ein Restaurant im Raum Heidelberg und im Odenwald den Namen "Prinz Carl" trägt, geht die Bezeichnung auf diesen Erbprinz zurück.

Da er für die Übernahme der Herrschaft in dem kleinen Herzogtum Pfalz-Zweibrücken vorgesehen war, mußte sein Bruder Maximilian Joseph die Militärlaufbahn einschlagen. Er diente dem französischen König Ludwig XVI., der ihn zum Regimentskommandeur in Straßburg machte.

Maximilian Joseph, der spätere bayerische König Maximilian I. Joseph von Bayern, hatte im Jahre 1785 Prinzessin Wilhelmine Auguste von Hessen-Darmstadt geheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen die Tochter Amalia bereits im 4. Lebensjahr verstarb. Die weiteren Kinder haben später Berühmtheit und Bekanntheit erlangt, insbesondere der am 25. August 1786 in Straßburg geborene älteste Sohn Ludwig, späterer König Ludwig 1. von Bayern, benannt nach dem französischen König, der sein Pate war, ferner die zwei Jahre nach Ludwig geborene Tochter Augusta, die mit Eugène de Beauharnais, dem späteren Herzog von Leuchtenberg, verheiratet war; weiter Charlotte Auguste, die zunächst Kronprinz Wilhelm von Württemberg geheiratet hatte und nach der Ehescheidung 1816 Kaiser Franz I. von Österreich (als Karoline Auguste) angetraut war, schließlich Karl, der "Bezwinger" der Revolution 1848 in München und Erbauer des Palais in der Nähe des früheren Münchener Armeemuseums, der jetzigen Staatskanzlei, das heute Gästehaus der Regierung des Freistaates Bayern ist.

In die Zeit Maximilian Josephs als Regimentskommandeur in Straßburg fiel die Französische Revolution. Die Revolutionstruppen drangen nach Osten vor, wodurch der Regimentskommandeur gezwungen wurde, mit seiner Familie Straßburg zu verlassen. Über das schwiegerelterliche Darmstadt kam er nach Mannheim und Schwetzingen und schließlich, weil die Revolutionstruppen auf Mannheim zumarschierten, im September bzw. Dezember 1795 in das Schlößchen nach Rohrbach.

Damit begann die große Zeit für das Dorf Rohrbach, das auf diese Weise Residenz für das von den Revolutionstruppen besetzte Herzogtum Pfalz-Zweibrücken und nach dem Tode des Kurfürst Carl Theodor sogar Residenz für den kurpfälzischen und bayerischen Kurfürsten war.

Der Tod der Ehefrau Wilhelmine Auguste im März 1796 stellte einen erheblichen Einschnitt in das Leben des im Jahre 1795 an die Stelle seines verstorbenen Bruders Carl August als Herzog von Zweibrücken getretenen Maximilian Joseph und seiner Kinder dar. Insbesondere der spätere König Ludwig 1. von Bayern hat den frühen Tod der Mutter nie verwunden.

Im Dezember 1796 mußten Herzog Max Joseph und seine Kinder vor den weiter herannahenden Revolutionstruppen auch Rohrbach verlassen und flohen an den markgräflichen Hof in Ansbach. Dorthin hatte sich auch der damalige Markgraf von Baden-Durlach und Baden-Baden, Karl Friedrich, der spätere Großherzog von Baden, unter anderem der Erneuerer der Heidelberger Universität, mit seiner Familie geflüchtet, zu der die damals 20jährige Tochter Karoline Friederike Wilhelmine gehörte.

Obwohl seit dem Tod der ersten Ehefrau noch nicht ein Jahr verstrichen war, verband sich Maximilian Joseph mit der um 20 Jahre jüngeren Prinzessin von Baden und ging mit ihr am 9. März 1797 in Karlsruhe die Ehe ein.

Danach begab sich das Herzogspaar (zurück) in das Schlößchen nach Rohrbach, wo am 15. März 1797 ein großer Ball gefeiert wurde.

Aus der Ehe Max Josephs mit Karoline Friederike Wilhelmine von Baden sind fünf Töchter hervorgegangen, die an Bekanntheit und Bedeutung den Kindern aus der ersten Ehe Maximilian Josephs um nichts nachstehen.

Die ersten vier Töchter dieser zweiten Ehe des Herzogs von Zweibrücken, die geboren wurden, als er bereits Kurfürst von Pfalz-Bayern war, waren zwei Zwillingspärchen: Elisabeth, verheiratet mit dem späteren König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, und Amalie, verheiratet mit dem späteren König Johann von Sachsen, ferner Sophie, verheiratet mit Erzherzog Franz Karl von Österreich und bekannt als Mutter unter anderem des späteren Kaisers Franz-Joseph, des Ehemannes der Kaiserin Elisabeth von Österreich, und des in Mexiko erschossenen Kaisers Ferdinand Maximilian von Mexiko, sowie Marie, verheiratet mit König Friedrich August II. von Sachsen, dem Vorgänger des Ehemannes ihrer älteren Schwester Amalie.

Jüngstes Kind war Ludovika, verheiratet mit Prinz Max in Bayern, Mutter unter anderem der soeben erwähnten Kaiserin Elisabeth (Sisi oder auch Sissi) von Österreich.

Maximilian Joseph hatte die Herzogswürde von Zweibrücken nach dem Tode seines Bruders als „Fürst ohne Land" erlangt, weil es sich ja um ein von französischen Revolutionstruppen besetztes Gebiet handelte. Er hatte aber Aussicht, daß er das Erbe des Kurfürsten von Pfalz-Bayern, Carl Theodor, würde antreten können, wenn dieser kinderlos sterben würde.

Die erste Ehefrau des Kurfürsten Carl Theodor, Elisabeth Auguste, war 1794, nachdem das einzige Kind bei der Geburt gestorben war, kinderlos verstorben. Der Kurfürst war im darauf folgenden Jahr mit der um 52 Jahre jüngeren Erzherzogin Maria Leopoldine eine zweite Ehe eingegangen, die aber ebenfalls kinderlos blieb. Sein Tod am 16. Februar 1799 hatte zur Folge, daß nach Maßgabe eines unter den Wittelsbacher Familien geschlossenen Erbfolgevertrages Maximilian Joseph die Nachfolge als Kurfürst von Pfalz-Bayern antrat.

Am 1. März 1799 ist Kurfürst Maximilian 1. Josef von Rohrbach aufgebrochen, um die Herrschaft in München anzutreten.

Zum 1. Januar 1806 machte ihn Napoleon zum König von Bayern - der erste in der Reihe der hervorragenden und ihr Land in unterschiedlicher Weise prägenden Könige einschließlich Prinzregent Luitpold von Bayern bis zum Ende des Weltkrieges 1918.

An Maximilian 1. Joseph erinnert in München der Max-Joseph-Platz mit dem Denkmal, an seinen Sohn König Ludwig I., den Gestalter der Residenzstadt München, die Ludwigstraße mit dem Standbild des Königs, an seinen Sohn König Maximilian Il. die Maximilianstraße mit dem Maximilianeum, dem jetzigen Sitz des Landtags von Bayern, und an Prinzregent Luitpold, den dritten Sohn König Ludwigs I., die Prinzregentenstraße mit dem kürzlich renovierten Prinzregententheater.

Mit etwas Phantasie ist das Schlößchen in Rohrbach der Kelch, aus dem der facettenreiche Sproß der königlichbayerischen Wittelsbachischen Familie entsprungen ist. Für das darzustellende Bild fehlt es eigentlich allein noch an dem auf das Dorf Rohrbach zurückzuführenden Umstand, der den Beweis dafür erbringen könnte, daß es der "genius loci" am Fuße des Königsstuhls gewesen war, der diese Blüte eines deutschen Könighauses hervorgebracht hat.

Die Schwester Amalie der ersten Ehefrau des späteren Königs Maximilian Joseph von Bayern hatte den ältesten Sohn des schon oben erwähnten Markgrafen von Baden, Erbprinz Karl, geheiratet.

Aus dieser Ehe waren vier Töchter und ein Sohn hervorgegangen. Der Sohn wurde wie der Vater auf den Namen Karl getauft. Von ihm geht die Geschichte, daß er der Vater von Kaspar Hauser wäre.

Die Tochter Elisabeth Alexejewa heiratete den russischen Großfürsten und späteren Zar Alexander I., die zweite Tochter heiratete 1797 König Gustav von Schweden. Die dritte Tochter war die schon oben erwähnte Karoline Friederike Wilhelmine, die im selben Jahr Herzog Max von Pfalz-Zweibrücken ehelichte; die vierte Tochter heiratete 1802 den Herzog von Braunschweig-Oels. Die jüngste Tochter ehelichte den Erbprinzen von Hessen-Darmstadt.

Otto Flake schreibt in seinem Buch über Kaspar Hauser, daß die Erbprinzessin Amalie bei so aussichtsreichen Schwiegersöhnen Genugtuung empfinden konnte.

Markgräfin Amalie durfte in der Erwartung leben, daß sie nach dem Tode ihres Schwiegervaters Herzogin von Baden werden würde. Diese Stellung hat sie aber nicht mehr erreicht.

Im Jahr 1801 auf einer Fahrt zu den in St. Petersburg und in Stockholm verheirateten Töchtern verunglückte ihr Ehemann Karl auf dem Wege von Stockholm nach Deutschland mit dem Schlitten tödlich. Nun war Amalie Erbprinzenwitwe. Sie behielt das ihr in dieser Stellung zukommende Prädikat "Markgräfin", wobei es aber auch blieb, als ihr Schwiegervater im Juli 1806 nach Gründung des Rheinbundes Großherzog mit dem Prädikat "Königliche Hoheit" geworden war. Ihr bayerischer Schwiegersohn schenkte ihr 1803 das Schlößchen in Rohrbach.

Trotz der familiären Zurücksetzung der Markgräfin Amalie in der Großherzoglichen Familie in Karlsruhe brachte sie durch ihre Sommeraufenthalte im Schlößchen Glanz in das Dorf Rohrbach. Auf dem Feldzug gegen den von Elba nach Frankreich zurückgekehrten Kaiser Napoleon besuchte Zar Alexander I. von Rußland sie  seine Schwiegermutter  im Juni 1815. Ihr Neffe, der spätere König Ludwig 1. von Bayern, der zur Besichtigung der von den Brüdern Boisserée im Palais am Karlsplatz ausgestellten mittelalterlichen Gemälde niederrheinischer und niederländischer Künstler nach Heidelberg gekommen war, die er später erwerben sollte, machte seiner Tante ebenfalls einen Besuch in dem Schlößchen, an das er sich aus seinen Kindheitstagen noch erinnern konnte.

Insbesondere hat die Markgräfin Amalie das Schlößchen zu seiner heutigen Gestalt umbauen lassen.

Der künstlich angelegte See wurde zugeschüttet. Vor die Barockfassade ließ sie einen Portikus aus 4 dorischen Säulen setzen und über dem Obergeschoß den Fries mit dem Dreiecksgiebel anbringen.

Damit hat das Gebäude viele Ähnlichkeiten mit gleichzeitig entstandenen Bauwerken in Karlsruhe und München, ohne doch seine besondere Eigenständigkeit verloren zu haben. Als glatte, nach Westen gewandte Barockfassade würde das Schlößchen in gewisser Weise „konturenlos" aussehen. Durch den Portikus und den davor befindlichen, inzwischen durch Bebauungen leider erheblich eingegrenzten Schloßpark erhielt das Gebäude einen Repräsentationscharakter, der es unter den nutzbaren Bauwerken in Heidelberg neben dem Rathaus am Marktplatz und der Alten Universität  zu den repräsentativsten Gebäuden der Stadt macht. Der Saal ist bis zum heutigen Tage in der ihm durch die Markgräfin gegebenen Gestalt erhalten.

Markgräfin Amalie verstarb 1832. Nach ihrem Tode verkaufte die badische Familie das Anwesen an Johann Georg Stulz, Hofschneider in London, der dort zu Wohlstand gekommen war und entweder selbst - oder in seinem Auftrag sein Sohn - nach Deutschland zurückkehrte und hier einen entsprechenden Alterssitz suchte. Stulz waren leider nur wenige Lebensjahre, in denen er noch nobilitiert wurde, beschieden. 1841 verstarb er. Wenige Jahre später heiratete seine Witwe den Gartenbauer Ulrich [?] Schelkly, der den Park des Schlößchens betreut hatte. Schelkly hat ein derartig gemeinschaftsbezogenes Wesen an den Tag gelegt, daß die Gemeinde Rohrbach die Straße, die an dem früheren Schloßpark entlang führte, nach ihm als "Schelklystraße" benannte, wie diese Straße heute noch heißt.

Im Jahre 1898 verkauften die Erben von Ulrich Schelkly das Anwesen an den Verein für Genesungsfürsorge. Wirtschaftlich hatte das Grundstück der Kommerzienrat Haas aus Mannheim mit eigenen Mitteln erworben und dann dem Großherzog Friedrich geschenkt, der es seinerseits als "Großherzoglich Friedrich-Spende" an den Verein zurückgab. Im Weltkrieg ist das Schlößchen als Lazarett genutzt worden.

1927 wurde das Dorf Rohrbach in die Stadt Heidelberg eingemeindet. Im darauffolgenden Jahr erwarb die Landesversicherungsanstalt Baden das Grundstück zur Begründung einer Lungenfachklinik.

Noch in den 20er Jahren war die Parkanlage vor dem Schlößchen sehr gut erkennbar. In jüngster Zeit ist am westlichen Ende des Gartengrundstücks entlang der Schelklystraße ein Krankenhausflügel entstanden, der zusammen mit dem östlichen Flügel das Grundstück fast vollständig gegen Blicke von außen abgrenzt.

Wenn man das Schlößchen von Nahem betrachten will, sollte man nach dem Eisengittertor in der Parkstraße in der Nähe der Einmündung der Amalienstraße suchen. Das Tor ist insbesondere dann geöffnet, wenn sich irgendwelche Baufahrzeuge auf dem Gelände bewegen.

Wer immer in Heidelberg vom Rohrbacher Schlößchen spricht, erhält von solchen Menschen eine Reaktion, die Patienten oder Besucher in der Klinik gewesen waren und dieses Gebäude daher bei Spaziergängen oder Ruhepausen auf den Bänken im früheren Schloßpark gesehen haben. Der im Zentrum des Erdgeschosses erhalten gebliebene Saal von nahezu 100 qm Fläche wird eigentlich viel zu selten für allgemeininteressierende Veranstaltungen genutzt. Er vermittelt einen Eindruck des Lebensgefühls in den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts. Das Rohrbacher Schlößchen gehört in Heidelberg zu den wahrscheinlich wenigen Orten, deren Hauptraum im Erdgeschoß in der ursprünglichen Form erhalten ist.

Aus: Dietrich Bahls, Personen um das Rohrbacher Schlößchen, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein 4/1999, S. 265ff.

Anmerkung 1: Wiedergabe einer Plauderei im Erdgeschoßsaal des Rohrbacher Schlößchens am 13. Februar 1999.