www.haidelberg.de

Deutsch ist die Saar

Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Saargebiet auf 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt und die Kohlengruben Frankreich zugesprochen. Am 14. Januar 1935 sprachen sich in einer Volksabstimmung 90% der Saarländer für eine Rückkehr zum Deutschen Reich aus.

Marie berichtete hierüber 4 Tage später:

"Wir haben uns alle sehr gefreut über das Resultat der Saarabstimmung, ich konnte alles am Radio hören, wir waren ja so gespannt gewesen."

Die Begeisterung schien einstimmig zu sein. Und doch trat gerade bei diesem Anlaß zum ersten Mal die unterschiedliche Haltung von Hans und seinem alten Freund Karl Balser dem neuen Staate gegenüber in einem Brief von Hans an Karl zu Tage:

„Ich muß Dir noch einmal schreiben“ (nach einem Gespräch am Vorabend), es läßt mir doch keine rechte Ruhe.“

„Im Einblick auf die aktuelle Veranlassung sei ganz grundsätzlich das Eine gesagt: und wenn ich ein noch so entschiedener Gegner der politischen Anschauungen wäre, die heute bestimmen, so hätte ich doch am 14. Januar geflaggt. War denn nicht einer der entscheidenden Gedanken, für die wir jungen Demokraten von 1918 damals eingetreten sind: „Es kommt der Tag, an dem sich spannt ein einig Zelt ob allem deutschen Land!“ Und nun sollen wir einen Schritt auf diesem Wege auf einmal nicht mehr begrüßen, nicht mehr feiern? Nur deshalb weil über den Straßen andere Fahnen wehen... Wie die Fahne aussieht, ist unwesentlich, wie das Deutschland aussieht, über dem sie weht, das ist das Entscheidende. Gewiß ist das Dritte Reich kein Paradies, gewiß sind auch in ihm Not und Zwang, Niedertracht und Gewalttat am Werk, aber ich sehe wenigstens Möglichkeiten und Versuche, Tore aufzustoßen in eine bessere und stolzere Zeit unseres Volkes nach Jahren der Resignation und Verzweiflung und gegenseitigen Mißtrauens... Daß dabei Treue zum Volk und Blut nicht zur Verachtung und Verfolgung anderer Völker und anderen Blutes führe, das eben scheint mir die Aufgabe derer, die darum wissen (um ein Wort von Dir zu zitieren), daß Reinheit und Feinheit immer zu den wirkenden und erhaltenden Grundtugenden der Besten aus unserem Volke gehörten.

Gewiß, Du hast Bitteres mehr als reichlich erleben müssen durch die Veränderungen der Verhältnisse in den letzten zwei Jahren. Du weißt, daß ich kein fanatischer Verteidiger aller der Grundsätze bin, die heute in Deutschland propagiert werden. Du weißt ebenso, daß ich daraus nie und nirgendwo ein Hehl gemacht habe, und die ironisch-verbissene Frage eines Kreisgewaltigen: „Sie scheinen also ein Vertreter jener berühmten deutschen Objektivität zu sein?“, diese Frage hoffe ich bis zu meinem Ende bejahen zu können. Aber: verpflichtet uns das etwa oder gibt uns das auch nur ein Recht, deshalb nun im Schmollwinkel zu stehen und nach dem bösen Wort „Kraft durch Schadenfreude“ augenzwinkernd die Schwierigkeiten der Verantwortlichen mit Interesse zu verfolgen, sich zu absentieren und vornehm zu warten, bis man uns eines Tages „doch wieder braucht?“

Hat sich an unserem Ziel etwas geändert, an unserem gemeinsamen Ziel für unser Deutschland, an Deinem und meinem? Heißt dieses Ziel heute etwa anders als 1913 auf dem Hohen Meißner, anders als in den Jahren des Krieges, da wir beide draußen lagen, heißt es nicht heute wie je: Einigkeit und Recht und Freiheit!“

(Hans Christoph Schöll, 1888-1958)