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„Das Furchtbare, das in dieser Erfindung liegt“

Bericht von einer der ersten Eisenbahn-Fahrten zwischen Heidelberg und Mannheim

Wir eilten nun dem Bahnhofe zu und hatten genug Mühe, Karten zu erhalten, denn das Büreau war dicht umstellt. Eines der beiden Locomotive war hinreichend, die 14 Waggons mit etwa 500 Personen weiter zu befördern. So viel man auch über Eisenbahnen schon gehört und gelesen haben mag, so macht doch der Augenblick, in welchem sich der ungeheure Wagenzug aus eigener Kraft in Bewegung sezt, das Geräusche der Dampf entladenden Maschine und die rasche Bewegung über die Bahn-Schienen hinweg einen eigenen Eindruck auf den zum ersten Mal Fahrenden, und jetzt erst sezt ihn das Furchtbare, das in dieser Erfindung liegt, in wahres Erstaunen, das sich bei zarten Naturen wohl mit einem heimlichen Grauen vermischen mag. Die beiden Locomotive „der Löwe und der Greif“ sind in dem Atelier der Herren Schurz und Robert in England verfertigt worden, und sollen an Größe und Kraft alle Maschinen des Kontinents übertreffen. Die Wagen, besonders der ersten Klasse, sind elegant und bequem eingerichtet und fassen in jeder Abtheilung 20 Personen. Auf der Decke der Wagen sind ebenfalls, wie gewöhnlich, Plätze eingerichtet. Eine Fahrt hin und zuück erfordert ungefähr 20 Zentner Steinkohlen, und um die Maschine gehörig in Gang zu bringen, sind 2½ Stunden Heizung nöthig. Diese Eisenbahn diente bereits auch militärischen Zwecken, denn am 7. Sept. fuhr die Großherzoglich badische Pionier-Kompagnie, nach Beendigung ihrer Übungen auf dem Rhein, mittelst derselben von Mannheim nach Heidelberg. Man bezahlt auf dieser Strecke, je nach den verschiedenen Klassen: 48, 30 und 18 Kreuzer und eben so viel wieder zurück; nach Friedrichsfeld, das halbwegs liegt, und wo einige Minuten angehalten wird, um Passagiere abzusezen oder aufzunehmen, die Hälfte. (...) Die Schranken, welche ausserhalb des erhöhten Dammes, auf dem die Bahn lauft, angebracht sind, waren auf große Strecken dicht mit Zuschauern besezt, deren Gesichter man mit zunehmender Schnelligkeit kaum mehr erkannte. Die Ordnung und nöthige Vorsicht scheint trefflich gehandhabt zu werden. Wir erreichten Mannheim, das von Heidelberg 4 Stunden entfernt ist, nach 26 Minuten.

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Es war Zeit zur lezten Abfahrt, die um 6 Uhr stattfinden sollte. Die Eisenbahn-Direktion hatte nemlich über die Dauer der Kriegsübungen die für uns sehr wohlthätige, und für sie nicht minder vortheilhafte Einrichtung getroffen, daß die gewöhnliche Zahl der Fahrten von 4 auf 6 erhöht wurde.

Dießmal war der Andrang besonders stark, und die Masse von Reiselustigen, welche die Kasse umstand, schien immer mehr zu als abzunehmen, so daß es fast keine Möglichkeit war, Karten zu erhalten. Die Abfahrt verzögerte sich hiedurch um Fünf-Viertelstunden, und erst ¼ nach 7 Uhr setzte sich der Wagen in Bewegung. So unangenehm dieses lange Warten auch für uns war, so fanden wir doch darin eine Entschädigung, die erste Nachtfahrt, welche auf dieser Eisenbahn ausgeführt wurde, mitzumachen. Dieselbe wurde mit großer Vorsicht unternommen und ¾ Stunden dazu gebraucht. Sieben- bis achthundert Passagiere zählte unsere nächtliche Reisegesellschaft, eine Zahl, die sich bei Anwendung von 2 Lokomotiven, wie dieß heute der Fall war, auf 1200 Personen erhöhen lassen soll.

Aus: „Erinnerungen an die ersten Kriegsübungen des achten deutschen Armeekorps im Jahre 1840“ Ulm 1840, S. 78f., nach: Mannheimer Geschichtsblätter 1/1900, Sp. 243f.