.Heidelberger Neueste Nachrichten', 10. Oktober [1916]:

Karl Kraus (dessen geistige Persönlichkeit in diesem Blatte von Hermann Bagusche und dem inzwischen gefallenen Dr. Hinderer vor einigen Jahren in ihren Umrissen zu zeigen versucht wurde), hat ein neues Buch erscheinen lassen: „Worte in Versen“. Den wenigen Menschen, die heute Gehör und Auge nicht verloren haben, wird mit diesem Buche der Urlaut leidenschaftlichster Wortgewalt und Verantwortung geschenkt. Es muß zu denken geben, wenn nach allem, was geschehen ist, Menschen noch imstande sind, der Betrachtung einer Kostbarkeit nur eine Stunde reiner Einsicht und Zuneigung zu weihen, und zwar in einer Gegenwart katastrophaler Geschehnisse, deren Ausbreitung noch nicht gebannt ist; es muß zu denken geben, daß über der Verwesung dieser Zeitläufte ein Gesicht wahrnehmbar wird, das Macht und Güte mitbekommen hat, ein Unheil abzuwenden. In die Umarmung dieses zornigsten und gütigsten aller Dichter weise ich die Welt!“ Wilhelm Stolzenburg (Newyork).

Diese Notiz wird angeführt, weil sie die einzige Erwähnung des vor fast einem Jahre erschienenen Buches „Worte in Versen“ in der deutschen Presse ist, der freilich die Möglichkeit, eine Rezension zu bringen, durch die Nichtabgabe von Rezensionsexemplaren erschwert wurde. Und bemerkt sei dazu, daß zwischen der geistigen Lebenshoffnung jenes armen Theodor Hinderer (der in Polen gefallen ist und von dem ein Freund an der Westfront mir schreibt, daß er in Heidelberg so liebevoll um die Fackel bemüht gewesen sei) und seinem Tod durch die Maschine eben jener unendiiche Jammer liegt, von dem Goethe sagt: „Was ist das für eine Zeit, wo man die Begrabenen beneiden muß!“ Aber da die Zeit selbst der Mörder ist, so darf man sichs nicht genügen lassen, die Begrabenen zu beneiden, sondern muß auch so gerecht sein, die Zeit zu hassen.

(aus: Die Fackel, Wien, Nr. 445-453, 18. Januar 1917, S. 106)

(vgl. Hermann Bagusche, Über Karl Kraus, in: Heidelberger Neueste Nachrichten, 20. Juli 1918)