Heidelberger Geschichtsverein e.V.

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Anton Friedrich Justus Thibaut

*4. Januar 1772 Hameln

28. März 1840 Heidelberg (begraben auf dem auf dem St. Anna-Kirchhof)

Bruder: Bernhard Friedrich Thibaut (*22. Dezember 1775 in Harburg; †4. November 1832 in Göttingen), Mathematiker

Jurist, Musikliebhaber, Lutheraner

badischer Geheimer Staatsrat, Ehrenbürger von Heidelberg (1829)



stud. in Göttingen, Kiel und Königsberg

Professor in Kiel, Jena

29. September 1805: Als Professor des Zivil-, Kriminal- und Römischen Rechts nach Heidelberg berufen (Sold: 2900 fl.) Hauptgegenstand seiner Tätigkeit sind die Pandekten, die er von der römischen Gesetzeslage zu einem wissenschaftlichen juristischen System fortzuentwickeln trachtet. Im Disput über die Frage, ob es sich empfehle, das Zivilrecht in Deutschland zu kodifizieren, also in einem Gesetzbuch zusammenzufassen und zu regeln („Kodifikationsstreit“) steht er mit seiner befürwortenden Ansicht im Widerspruch zu der Auffassung Savignys, der seine Zeit als noch nicht zur Schaffung eines solchen Gesetzbuches fähig erachtet und stattdessen für ein organisches Voranschreiten der Rechtswissenschaft plädiert. Thibaut wohnt im Kalten Thal (Litera C 152: heute Karlstraße 16, 1961 zerstört; vgl. Günther Debon, Das Heidelberger Jahr Joseph von Eichendorffs. Heidelberg 21992, S. 207)

1805-1807, 1821: Rektor der Universität Heidelberg

16. Mai 1806: die Regierung verbietet auf Initiative von Thibaut Theateraufführungen in Heidelberg

1816/1840: veranstaltet in seinem Haus im "Kalten Thal" (Karlstraße 16) Singabende (alte italienische Musik, alte Kirchenmusik, Donnerstag abends zwischen 5 und 9 Uhr, 40-50 Sänger und Sängerinnen)

17. Juli 1817: Besuch des Singabends durch Jean Paul

1819: Abgeordneter der Universität Heidelberg in der 1. Kammer der badischen Ständeversammlung

14. Juni 1820: Heidelberger Burschen zerstören die Einrichtung des Gasthauses "Zum Großen Faß" (Hauptstraße/Mönchgasse). Die Aufforderung Professor Thibauts, ihre Zerstörung zu beenden, bleibt ohne Erfolg.



November 1875: die Gebeine von A. F. J. Thibaut und J. H. Voss werden vom Sankt-Anna-Friedhof auf den Bergfriedhof transferiert und nebeneinander beigesetzt (Litera D 348-349 und D 350-351). Die Grabanlage Thibauts wird später abgeräumt und die Grabstelle neu vergeben. 2011 kommt das erhaltene Grabmal wieder an seinen Platz, die Grabanlage wird rekonstruiert.

1928: Erwerb eines Teils der Sammlung Thibaut für das Musikwissenschaftliche Seminar

1961: das Haus von Anton Friedrich Justus Thibaut (Karlstraße 16) wird zerstört



>Sammlung Thibaut (Musikwissenschaftliches Seminar der Universität Heidelberg)

>Thibautstraße (Bergheim)

>Thibauthaus (Karlstraße 16, 1961 zerstört)



siehe auch: Karl Gottfried Nadler



Zitate:

Robert Schumann an seine Mutter, 24. Februar 1830: "Thibaut ist ein herrlicher, göttlicher Mann; bei dem ich meine genußreichsten Stunden verlebe. Wenn er so ein Händel'sches Oratorium hei sich singen läßt (jeden Donnerstag sind über 70 Sänger da) und so begeistert am Klavier accompagnirt und dann am Ende zwei große Thränen aus den schönen großen Augen rollen, über denen ein schönes, silberweißes Haar steht, und dann so entzückt und heiter zu mir kommt und die Hand drückt und kein Wort spricht vor lauter Herz und Empfindung, so weiß ich oft nicht, wie ich Lump zu der Ehre komme, in einem solchen heiligen Hause zu sein und zu hören. Du hast kaum einen Begriff von seinem Witz, Scharfsinn, seiner Empfindung, dem reinen Kunstsinn, der Liebenswürdigkeit, ungeheuren Beredtsamkeit, Umsicht in Allem."

Robert Schumann an seinen Mentor Friedrich Wieck: „Gegen Thibaut bildet sich eine Opposition, in der ich auch mit figurire; Sie glauben kaum, was ich bei ihm für herrliche, reine, edle Stunden verlebt, und wie sehr seine Einseitigkeit und wahrhaft pedantische Ansicht über Musik bei der unendlichen Vielseitigkeit in der Jurisprudenz und bei diesem belebenden, entzündenden und zermalmenden Geiste schmerzt“

(zitiert nach Richard Benz, Heidelberg, Schicksal und Geist. Konstanz 1961, S. 349)

Voß ist hier der wahre Hausteufel der Universität, der nichts tut als Samen der Zwietracht streut und keinen Freund hat als etliche Schmarotzer seines Tisches und etliche Pflastertreter, die ihm Klatschereien zutragen, allgemein verachtet und verhaßt selbst bei denen, die ihn hierher gebracht haben wie Thibaut.“ (August Boeckh an David Schulz, 16. April 1809)



Veröffentlichungen:

System des Pandektenrechts (1803)

Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland (Heidelberg1814)

Über Reinheit der Tonkunst (1825, 1875, 1907)



Literatur:

Klaus-Peter Baumer, Die Freiherren von Hundheim. Ortsherren in Ilvesheim im Dienste von Kurtrier, Speyer, Kurpfalz und Baden. (Edition Ralf Fetzer) Edingen-Neckarhausen 2017, S. 16, 440ff., 444ff., 501, 504

Johann Braun, Die Haltung Thibauts zu Promotion, Habilitation und Professur jüdischer Rechtsgelehrter, in: Christian Hattenhauer u. a. (Hg.), A. F. J. Thibaut (1772–1840). Bürger und Gelehrter. Tübingen 2017

Günther Debon, Das Heidelberger Jahr Joseph von Eichendorffs. Heidelberg 21992

Theophor Wilhelm Dittenberger, Worte, gesprochen bei der Beerdigung des Großh. Bad. Geh. Raths und Professors der Rechte Dr. A. Fr. J. Thibaut, Commandeur des Ordens vom Zähringer Löwen mit Eichenlaub. 1840

Ferdinand Simon Gaßner, Anton Friedrich Justus Thibaut, in: Zeitschrift für Deutschlands Musik-Vereine und Dilettanten, 2. Bd. Carlsruhe 1842

Christian Hattenhauer, Klaus-Peter Schroeder, Christian Baldus (Hgg.), Anton Friedrich Justus Thibaut (1772−1840). Bürger und Gelehrter (Heidelberger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 15). Tübingen 2017


Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein e. V., Nr. 14 (2010), S. 20

Heidelberger Köpfe. Die Professorenporträts von Dénes v. Szebeny. Ausstellung im Universitätsmuseum Heidelberg, 28. Oktober 2004 - 23. Januar 2005. Texte von Carsten Juwig und Reinhard Düchting. Heidelberg 2004. S. 32

Dörte Kaufmann, Anton Friedrich Justus Thibaut (1772−1840). Ein Heidelberger Professor zwischen Wissenschaft und Politik (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 198). Stuttgart 2014

Die Odyssee eines Grabzeichens, in: Ans Leben erinnern. Friedhofs- und Bestattungskultur in Heidelberg, 9/2012, S. 4

Karl Pfaff, Heidelberg und Umgebung. Heidelberg 1897, 21902, S. 403, Anm. 206

Rainer Polley, Anton Friedrich Justus Thibaut (AD 1772-1840) in seinen Selbstzeugnissen und Briefen. Frankfurt, Bern 1982

Ursula Reichert, Musik in Heidelberg. Die Zeit der Romantik, in: [Susanne Himmelheber, Barbara Böckmann (Red.)], Musik in Heidelberg 1777-1885. Eine Ausstellung des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität. Heidelberg [1985], S. 87ff.

Leena Ruuskanen, Der Heidelberger Bergfriedhof. Kulturgeschichte und Grabkultur. Ausgewählte Grabstätten. Heidelberg 1992, S. 132f.

Friedrich Carl von Savigny, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg (Mohr und Zimmer) 1814 [I 9203 RES]

A. Schreiber, Wochenschrift für die badischen Lande, I, 1806, Nr. 6 und 9

Klaus-Peter Schroeder, Jurisprudenz und Poesie. Die Heidelberger Semester Joseph von Eichendorffs, Karl Gottfried Nadlers und Joseph Victor von Scheffels. Heidelberg 2018

Gerhard Schwinge, „freundlich und ernst“ Friedrich Heinrich Christian Schwarz. Theologieprofessor und Pädagoge in Heidelberg 1804-1837 und die Heidelberger Gesellschaft seiner Zeit. (Archiv und Museum der Universität Heidelberg, Schriften, Band 11). Ubstadt-Weiher 2007 (v.a. S. 34-38)

Franz Werner, Georg Weber 1808–1888. Schulmann, Familienmensch und Universalhistoriker in Heidelberg. (Mattes) Heidelberg 2021, S. 160 et passim