Heidelberger Geschichtsverein

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Hans Georg Gadamer

*11. Februar 1900 Marburg

†13. März 2002 Heidelberg (auf dem neuen Friedhof Ziegelhausen begraben)

Philosoph, Begründer einer universalen philosophischen Hermeneutik


Vater: Johannes Gadamer (Pharmazeut, Chemiker)

Mutter: Johanna Gadamer geb. Gewiese (†1904)

1918: stud. Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie und Pädagogik an den Universitäten Breslau, Marburg und München

1922: Promotion in Marburg bei Paul Natorp und Nicolai Hartmann („Das Wesen der Lust nach den platonischen Dialogen“)

ab 1923: besucht Vorlesungen von Edmund Husserl und Martin Heidegger an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und während des Sommers bei Heidegger in dessen „Hütte“ in Todtnauberg

1924: Studium der klassischen Philologie bei Paul Friedländer, weil er „das Gefühl hatte, von der Überlegenheit dieses Denkers [Heidegger] einfach erdrückt zu werden, wenn ich nicht einen eigenen Boden gewann, auf dem ich vielleicht fester stünde als dieser gewaltige Denker selber“

1927: Staatsexamen für das höhere Lehramt

1929: Habilitation für Philosophie bei Heidegger und Paul Friedländer an der Universität Marburg („Platos dialektische Ethik. Interpretationen zum „Philebos““). Privatdozent in Marburg.

August 1933: Mitglied des Nationalsozialistischen Lehrerbundes

11. November 1933: unterzeichnet das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat http://www.archive.org/stream/bekenntnisderpro00natiuoft#page/129/mode/1up

1934/35: vertritt an der Universität Kiel den vakanten Lehrstuhl von Richard Kroner, der wegen seiner jüdischen Abstammung von der Lehrbefugnis suspendiert worden war.

Oktober 1935: nimmt freiwillig am Dozentenlager des NS-Dozentenbundes in Weichselmünde bei Danzig teil http://philomag.de/sandkuehler-es-hat-uns-nicht-interessiert/

1937: nichtbeamteter außerordentlicher Professor in Marburg. Vertretung des vakanten Lehrstuhls von Erich Frank, dem wegen seiner jüdischen Abstammung die Lehrbefugnis entzogen worden war.

1939: wird als Nachfolger Arnold Gehlens zum ordentlichen Professor und Direktor des Philosophischen Instituts der Universität Leipzig berufen

Mitarbeiter am NS-Projekt "Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften"

1945: Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig

bis 1947: Rektor der Universität Leipzig

14. August 1947: erklärt seinen Rücktritt vom Rektorat

1. Oktober 1947: erhält eine Anstellung an der Universität Frankfurt

1. Juli 1948: ordentlicher Professor der Universität Frankfurt

1949: Berufung an die Universität Heidelberg als Nachfolger von Karl Jaspers

1950: wohnt Uferstraße

1950: heiratet in 2. Ehe Käte Lekebusch

1965: wohnt Keplerstraße 2

1957: wohnt Bergstraße 148

1968: emeritiert

1969-1972: Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften

1971: Orden Pour le Mérite

Juni 1986: Karl-Jaspers-Preis

12. Oktober 1986: Eröffnung der Festwoche zum Jubiläum „600 Jahre Universität Heidelberg“. Gadamer hält eine Rede über „Die Universität Heidelberg und die Geburt der modernen Wissenschaft“

1993: Bürgermedaille der Stadt Heidelberg

25. Januar 1998: Michael Buselmeier interviewt Gadamer in der Veranstaltungsreihe „Erlebte Geschichte“

11. Februar 2000: Gadamer (100) wird Ehrenbürger von Heidelberg. Empfang in der Stadthalle.

13. März 2002: stirbt im Alter von 102 Jahren in Heidelberg (wohnte Am Büchsenackerhang 53)

5. Juni 2014: der Gemeinderat beschließt, dem seit 2004 inoffiziell so genannten Platz in der Bahnstadt offiziell den Namen Gadamerplatz zu geben

Zitat von Gadamer: „Die eigentliche Aufgabe der höheren Schulen ist nicht primär die wissenschaftliche Ausbildung, sondern die Weckung der Lust zum Lernen.“ (nach RNZ, 14. 12. 1999)

Zitat über Gadamer: „Auf eigentümliche Art verwirrt, fast verstört, ließ mich Herr Gadamer zurück, dem ich arglos (wenn auch nicht kriechend) begegnete, ein Fehler, der mich fast zum Abbruch dieser gewiß aufregendsten aller Veranstaltungen gezwungen hätte.“ (Michael Buselmeier, in: Stadtblatt Nr. 43, 21. 10. 1998, S. 10)

Veröffentlichungen:

Hans Georg Gadamer, Volk und Geschichte im Denken Herders. 1942 (nach einem am 29. Mai 1941 in Paris auf Einladung des Deutschen Instituts (Kulturpolitische Abteilung der deutschen Botschaft) gehaltenen Vortrag) https://de.scribd.com/document/341784809/wug-014-gadamer-volk-und-geschichte-im-denken-herders-1942-1-00-pdf


Hans Georg Gadamer, Das Cusanus-Unternehmen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, in: Ruperto Carola 6. Jg. Nr. 15/16, Dezember 1954, S. 78f.

Hans Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik (1960)

Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau. Frankfurt a.M. 1977, 3. Aufl. 2012

Selbstdarstellung, in: Ludwig J. Pongratz (Hg.), Philosophie in Selbstdarstellungen, Band III. Hamburg 1977. (Auch in: Gesammelte Werke, Band 2)

Im Gespräch, mit Silvio Vietta. München 2002



Literatur:

Donatella di Cesare, Gadamer – Ein philosophisches Portrait. Tübingen 2009 – Rez.: RNZ, 28. 7. 2009

Franck Delannoy, Gadamers frühes Denken und der Nationalsozialismus, in Marion Heinz, Goran Gretić (Hgg.), Philosophie und Zeitgeist im Nationalsozialismus, Würzburg 2006, S. 327-351

Günter Figal, Hans-Helmuth Gander (Hg.), Dimensionen des Hermeneutischen. Heidegger und Gadamer. Frankfurt am Main 2005

Hans Georg Gadamer, "Die wirklichen Nazis hatten doch kein Interesse an uns..." Hans Georg Gadamer im Gespräch mit Dörte von Westernhagen, in: Das Argument 182 (1990), S. 543-555

Horst-Jürgen Gerigk, Die Spur der Endlichkeit. Meine akademischen Lehrer. Vier Porträts. Dmitrij Tschižewski, Hans-Georg Gadamer, René Wellek, Paul Fussell. Heidelberg 2007 – Rezension: RNZ, 10. 4. 2007

Jean Grondin, Gadamer vor Heidegger, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie, 1996, 197-226

Jean Grondin, Hans-Georg Gadamer. Eine Biographie, Tübingen 22013

Thorsten Gubatz, Heidegger, Gadamer und die Turiner Schule. Die Verwindung der Metaphysik im Spannungsfeld zwischen Glaube und Philosophie. Würzburg 2009

Ideologische Mächte im deutschen Faschismus Band 5: Heidegger im Kontext: Gesamtüberblick zum NS-Engagement der Universitätsphilosophen, George Leaman, Rainer Alisch, Thomas Laugstien (Argument). Hamburg 1993

Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? Frankfurt am Main 2003; 2. Aufl. 2005

Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer was war vor und nach 1945. Frankfurt am Main 2007 – Rezension: RNZ, 20. 2. 2007

Reinhart Koselleck, Vom Sinn und Unsinn der Geschichte. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten.  Hg. von Carsten Dutt. Berlin 2010

Teresa Orozco, Platonische Gewalt. Gadamers politische Hermeneutik der NS-Zeit, in: Argument-Sonderband AS NF 240. (Ideologische Mächte im deutschen Faschismus; 7). Hamburg/ Berlin 1995, 22004 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezension-sachbuch-mit-platon-in-den-fuehrerstaat-11301443.html

Max Weinreich, Hitler's Professors. With a new Foreword by Martin Gilbert. Second Edition. Yale University Press 1999 http://yalebooks.yale.edu/book/9780300053876/hitlers-professors




Weblinks:

http://www.ms.kuki.sut.ac.jp/KMSLab/makita/gadamerd.html (Etsuro Makita, Gadamer Homepage)

http://www.svcc.cc.il.us/academics/classes/gadamer/gadamer.htm (The Hans Georg Gadamer Homepage. Autor: Kris Murray)

http://www.uni-heidelberg.de/magazin/index_gadamer.html (Dokumentation des Festaktes der Universität Heidelberg am 11. 2. 2000 zu Ehren des 100. Geburtstages von Hans Georg Gadamer, Einführung in Gadamers Biographie und Werk von Dieter Borchmeyer)

http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerz02.htm (Hans-Georg Gadamer: Aus: Wahrheit und Methode) (Axel W. Bauer)

http://www.amazon.de/exec/obidos/tg/feature/-/26805/028-5225946-7787750" (Jens Kertscher: Wahrheit mit Methode - Gadamer zum 100. Artikel & Interviews)

http://www.uni-leipzig.de/journal/heft300/s11.htm (Universität Leipzig: Feierstunde für und mit Hans-Georg Gadamer, Juni 2000)

http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Georg_Gadamer