Heidelberger Geschichtsverein e.V.
Dolf Sternberger (Adolf Sternberger)
*28. Juli 1907 Wiesbaden
†27. Juli 1989 Frankfurt am Main
Politikwissenschaftler, Journalist
gilt als einer der Begründer der deutschen Politikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg
Wohnung in Heidelberg ab 1943: Weberstraße 13
1925: stud. Theaterwissenschaft und Germanistik an den Universitäten Kiel und Frankfurt
8. Mai 1926-Dezember 1928: Hannah Arendt studiert in Heidelberg
1927: Sternberger studiert an der Universität Heidelberg (u.a. bei Karl Jaspers)
1927: freier Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung
1931: Promotion bei Paul Tillich in Frankfurt mit einer Arbeit über Martin Heideggers Sein und Zeit
31. März 1931: Sternberger heiratet Ilse Rothschild (Ilse Bella Blankenstein; Trauzeugin: Hannah Arendt)
1934-1943: bis zu ihrem Verbot Redakteur der Frankfurter Zeitung
18. Mai 1945: Amtseinführung von Dr. Hermann Heimerich, ehemaliger Oberbürgermeister von Mannheim, als Oberpräsident für das neu geschaffene Verwaltungsgebiet Saar-Pfalz-Südhessen, in den Räumen der Handelskammer Neustadt. Zusammen mit Heimerich werden sein Stellvertreter und Dezernent für Wirtschaft, der Mannheimer Rechtsanwalt Wilhelm Zutt, sowie Abteilungsleiter („Minister“) ernannt: der ehemalige badische Finanzminister Wilhelm Mattes (Finanzabteilung), Dr. Alexander Mitscherlich, Oberarzt und Dozent an der Universität Heidelberg (Dezernent für Gesundheitsfürsorge), der frühere Postrat Paul Machold (Dezernent für Post, Telefon und Telegrafenwesen), Adolf Rausch (Arbeitsfragen und öffentliche Wohlfahrt), Hermann Hussong, vor 1933 Dezernent der Stadt Heidelberg (Bau und Wiederaufbau), Emil Henk (Dezernat für Erziehung und religiöse Fragen), Dr. Hans Anschütz, Richter in Heidelberg (Abteilung öffentliche Sicherheit und Justiz), Dr. Dolf Sternberger (Pressereferent). (bis 8. Juli 1945)
30. November 1945: die erste Nummer der Zeitschrift Die Wandlung erscheint in Heidelberg bei Lambert Schneider (bis Herbst 1949), gegründet von dem Philosophen Karl Jaspers, dem Politikwissenschaftler Dolf Sternberger (Herausgeber), dem Romanisten Werner Krauss und dem Kultursoziologen Alfred Weber. Die Publikation, direkt nach der Zeit des Nationalsozialismus, sollte zur geistigen Erneuerung der Deutschen (nicht nur) in den Westzonen beitragen. Autoren sind u. a. Hannah Arendt, T. S. Eliot, Karl Jaspers, Marie-Luise Kaschnitz, Werner Krauss, Dolf Sternberger, Gerhard Storz, Wilhelm E. Süskind, Alfred Weber und Viktor von Weizsäcker.
1945: Pressesprecher der Regierung Mittelrhein-Saar
November 1946: Gründung der Heidelberger Aktionsgruppe zur Demokratie und zum freien Sozialismus auf Initiative von Alfred Weber (Lambert Schneider (Vorsitzender), Dolf Sternberger, Alexander Mitscherlich, Alfred Weber)
5. Mai 1946: Eröffnung des Heidelberger Kulturbundes zur Erneuerung Deutschlands unter Führung von Gustav Hartlaub und Dolf Sternberger (im Frühjahr 1947 in „Heidelberger Bund für Demokratische Kultur“ umbenannt). Vortrag von Dolf Sternberger: „Die Herrschaft der Freiheit“.
1946-1966: Sternberger spricht Kommentare beim Hessischen Rundfunk („Dolf Sternberger spricht“, dienstags um 21 Uhr)
1947: Sternberger übernimmt einen Lehrauftrag für Politische Wissenschaften an der Universität Heidelberg (bleibt bis zu seiner Emeritierung in Frankfurt wohnen)
20. Juni 1948: Währungsreform in den Westzonen
1948: Sternberger und Frau zu Besuch in USA (Treffen mit Hannah Arendt)
30./31. Januar 1950: Besuch von Hannah Arendt bei Sternberger in Heidelberg
1. 4. 1950-Dezember 1958: gibt die Zeitschrift Die Gegenwart mit heraus (wird 1958 als Rubriktitel in die FAZ übernommen)
1951: Sternberger baut an der Universität Heidelberg eine Forschungsgruppe im Fachbereich Politische Wissenschaften auf (finanziert durch die Ford Foundation)
1955: Ernennung zum Honorarprofessor
1957: Sternbergers Beiträge werden erstmals unter dem Titel Aus dem Wörterbuch des Unmenschen in Buchform veröffentlicht
1960: Ernennung zum außerordentlichen Professor
23. November 1960 Heidelberger Antrittsvorlesung
1961-1963: Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft
1962: Ernennung zum ordentlichen Professor. Sternberger gründet die Politische Vierteljahresschrift, Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft.
1964: Sternberger an der University of Chikago, Zusammentreffen mit Hannah Arendt
1964-1970: Präsident des deutschen PEN-Zentrums
1967: Johann-Heinrich-Merck-Ehrung der Stadt Darmstadt
1972: emeritiert
1974: Deutscher Kritikerpreis
1974: Großes Verdienstkreuz
August 1975: Hannah Arendt besucht ihren Studienfreund Dolf Sternberger zum letzten Mal (in Darmstadt)
1977: Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen
1981: Wilhelm-Heinse-Medaille
1985: Ernst-Bloch-Preis
1987: korrespondierendes Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
1989: Bundesverdienstkreuz in der Stufe Großkreuz
1990: Gründung der Dolf Sternberger-Gesellschaft e. V.. Diese verleiht seit 1992 in unregelmäßigen Abständen den „Dolf Sternberger-Preis“ für Verdienste um den „Zusammenhang von Politik und Sprache“
4. September 2020: der frühere Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) enthüllt am Haus Weberstraße 13 (Neuenheim) eine Gedenktafel für den Heidelberger Politikwissenschaftler Dolf Sternberger, der hier von 1943 bis 1951 mit seiner jüdischen Ehefrau Ilse, geborene Rothschild, lebte („In diesem Haus / lebte / von 1943 bis 1951 / Dolf Sternberger / Professor / für politische / Wissenschaft / mit seiner Ehefrau / Ilse geb. Rothschild“) (RNZ, Heidelberger Nachrichten, Feuieeton, Samstag, 5. September 2020 Seite 15)
Zitate von Sternberger:
„Das schwächliche Bonner Machwerk wird bei einer Wiedervereinigung Deutschlands den bolschewistischen Routiniers nicht gewachsen sein...“ (25. Mai 1949, 17 Tage nach Verabschiedung des Grundgesetzes)
„Der Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede. Das Politische müssen und wollen wir zu begreifen versuchen als den Bereich der Bestrebungen, Frieden herzustellen, Frieden zu bewahren, zu gewährleisten, zu schützen und freilich auch zu verteidigen. Oder, anders ausgedrückt: Der Friede ist die politische Kategorie schlechthin. Oder, noch einmal anders ausgedrückt: Der Friede ist der Grund und das Merkmal und die Norm des Politischen, dies alles zugleich.“ („Heidelberger Antrittsvorlesung“, 23. November 1960)
„Heidelberg wird immer unerträglicher. Jaspers geht in 14 Tagen nach Basel; die Universität sinkt ab, nichts Neues ist zu sehen, die Gesellschaft ist herz- und fühllos, jeder autistisch mit sich selbst beschäftigt – keine Menschlichkeit. Mir gefällt`s nicht...“ (Sternberger an Arendt, 12. 3. 1948, in: Hannah Arendt, Dolf Sternberger, hg. von Udo Bermbach: «Ich bin Dir halt ein bißchen zu revolutionär» Briefwechsel 1946 bis 1975. Berlin 2019, S. 95)
Zitat über Sternberger:
„Er will absolut nach Chikago, und es sind dort wirklich kaum Aussichten. Man würde ihn vielleicht berufen, wenn er wirklich ganz außergewöhnlich wäre, aber davon kann doch keine Rede sein“, (H. A. über Dolf Sternberger am 6. Januar 1965 an Karl Jaspers, in: Hannah Arendt, Dolf Sternberger, hg. von Udo Bermbach: «Ich bin Dir halt ein bißchen zu revolutionär» Briefwechsel 1946 bis 1975. Berlin 2019, S. 58)
Schriften:
Der verstandene Tod. Eine Untersuchung zu Martin Heideggers Existenzialontologie. Hirzel, Leipzig 1934 (Dissertation)
Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert. Goverts, Hamburg 1938
Lebende Verfassung. Studien über Koalition und Opposition. Hain, Meisenheim 1956
Über den Jugendstil und andere Essays. Claassen, Hamburg 1957
Dolf Sternberger, Gerhard Storz und Wilhelm E. Süskind, Aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Hamburg 1957
Gefühl der Fremde. Insel Verlag, Wiesbaden 1958
Begriff des Politischen. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1961
Grund und Abgrund der Macht. Kritik der Rechtmäßigkeit heutiger Regierungen. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1962
Ich wünschte ein Bürger zu sein. Neun Versuche über den Staat. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1967
Gerechtigkeit für das neunzehnte Jahrhundert. Zehn historische Studien. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1975
Verfassungspatriotismus. Niedersächsische Landeszentrale für Politische Bildung, Hannover 1982
Über die verschiedenen Begriffe des Friedens. Steiner, Stuttgart 1984
Ernst Jünger, Dolf Sternberger, Briefwechsel 1941–1942 und 1973–1980. (mit Kommentaren von Detlev Schöttker und Anja S. Hübner), in: Sinn und Form. 4, 2011, S. 448–473
Bilder und Bildung. Rede anläßlich des 150jährigen Jubiläums der Alten Pinakothek, gehalten am 27. Nov. 1986. Bayer. Staatsgemäldesammlungen, München 1987
Hannah Arendt, Dolf Sternberger, herausgegeben von Udo Bermbach: «Ich bin Dir halt ein bißchen zu revolutionär» Briefwechsel 1946 bis 1975. Rowohlt Berlin, Berlin 2019
Literatur:
Arno Mohr, Dieter Nohlen (Hg.), Politikwissenschaft in Heidelberg. 50 Jahre Institut für Politische Wissenschaft. Winter, Heidelberg 2008 (Darin u. a.: Bernhard Vogel: Dolf Sternberger und die Politische Wissenschaft. S. 240 ff. und Franz Alt, Hommage à Dolf Sternberger. S. 346)
Patricia Oster, Die Zeitschrift als Ort der Konstitution eines „transnationalen“ kulturellen Feldes: „Lancelot, Der Bote aus Frankreich“ und „Die Wandlung“, in: dies. & Hans-Jürgen Lüsebrink (Hg.), Am Wendepunkt. Deutschland und Frankreich um 1945. Zur Dynamik eines 'transnationalen' kulturellen Feldes – Dynamiques d'un champ culturel 'transnational', L'Allemagne et la France vers 1945. Jahrbuch des Frankreichzentrums. Transkript, Bielefeld 2008, S. 231–248
Markus Porsche-Ludwig, Sternberger, Dolf, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 32, Bautz, Nordhausen 2011, Sp. 1341–1345
Monika Waldmüller, „Die Wandlung. Eine Monatsschrift.“ Herausgegeben von Dolf Sternberger unter Mitwirkung von Karl Jaspers, Werner Krauss und Alfred Weber. Deutsche Schillergesellschaft. Marbach 1988