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Heidelberger Geschichtsverein e. V.


Heidelberger Schloss


Was treibt dich, Epheu, Trümmer zu umweben?
Was bindet dich ans modernde Gestein?
Ach! nimmer hauchest du dein frisches Leben
Der alternden Zerstörung ein.

Aus dem Geblätter schauen, ernst und düster,
Gebilde der Vergangenheit hervor,
Und fremde Laute wehen im Geflüster
Der Abendlüfte um mein Ohr.

Ach, die Verwesung ist des Lebens Amme,
Die Erde buhlet mit dem Tode nur,
Und untergehn muss selbst die heil`ge Flamme,
die von dem Himmel niederfuhr.

Es wogt und rauscht der Strom im tiefen Grunde,
Und wandert in das Land der Fremden aus,
Doch nimmer kommt von seinem Weg die Kunde
Zurück in seiner Mutter Haus.

Wer lehrt den Fels die Worte, die ich liebe?
Wer giebt der Pflanze Sehnsucht nach dem Licht?
Wer starren Schlaf dem Gold im Berggetriebe,
Wohin kein Strahl des Lebens bricht?

Wer bist du, Schatten, in dem Nachtgewande,
Der sich, wie Nebel, aus Gemäuer hebt?
Wer lös’te dir des Grabes enge Bande?
Weißt du, was still die Unerforschte webt?

Hast du vielleicht einst mächtig hier geboten,
In biedrer Zeit, wo Recht und Sitte galt?
Kommst du, zu trauern, wieder von den Todten
In deinen alten Aufenthalt?

O traure nicht, daß deine Burg gefallen,
Daß sich der Epheu um die Säulen schlang,
Daß itzt nur leise Klagetöne hallen,
Wo einst das Lied zum Siegesfest erklang.

Es mußste ja das Edlere vergehen!
Wo ist der Mensch, der mit Dämonen ringt?
O eile fort, um nicht mit Schmerz zu sehen,
Wie das Geschick auch Geister zwingt.


Aloys Wilhelm Schreiber (1809)

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