Heidelberger Geschichtsverein e.V.

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Brief von Marie Schreiber (42) an Stéphanie de Beauharnais (22), Gattin des Großherzog Karl von Baden

Madame,

ich bin nur berechtigt, mich an Eure kaiserliche Hoheit zu wenden und um Ihren Beistand zu flehen, aber allein dieses Recht wird zweifellos das fühlende Herz einer Herrscherin zu meinem Gunsten lebhaft rühren, eine Herrscherin, die wie Sie, Madame, ihre Tage nur nach ihren Wohltaten zählt.

Ich bin krank und Mutter von fünf Kindern, von denen noch keines für sich selbst sorgen kann. Mein Mann, seit langem im Dienst seines Fürsten und seines Vaterlandes stehend, hat seine Pflichten stets mit einer Rechtschaffenheit und einem Eifer ausgeübt, die dem hellsichtigen Auge seines Herrschers nicht entgehen konnten.

Seit sieben Jahren, da der selige Großherzog Karl Friedrich ruhmreichen Angedenkens geruhte, ihn zum Professor an seiner Universität Heidelberg zu ernennen, hat er sich, weit davon entfernt, seine Arbeit einzuschränken, weniger denn je geschont, um der Öffentlichkeit mehrere Werke zu schenken, die wohlwollend aufgenommen wurden und ihm die Ehre eingebracht haben, sich auswärtiges Mitglied einer französischen literarischen Gesellschaft nennen zu dürfen.

Aber seine Gesundheit ist so geschwächt, daß ich befürchten muß, ihn sehr bald zu verlieren, und was wird dann aus mir? Was wird aus meinen Kindern, wenn dieses Unglück uns ereilt? Ohne weiteres Vermögen als die Bezüge, die mit dem Lehrstuhl meines Mannes verbunden sind, könnte ich mich nicht einmal mit dem Allernötigsten versorgen, und ich wäre noch weniger in der Lage, meiner Familie eine angemessene Ausbildung zu geben.

Madame, um uns alle zu retten, würde ein einziges Wort genügen, welches Eure Hoheit zu unseren Gunsten spricht.

Der schlechte Gesundheitszustand meines Mannes und meiner selbst hat keine andere Ursache als die Rauheit der Heidelberger Luft, welche nicht nur unzuträglich ist, sondern sogar schädlich für Menschen mit schwacher Brust. Eine etwas lindere Luft würde uns beiden zweifellos bald die Gesundheit zurückgeben.

Auch ist es nicht der Wunsch meines Mannes, den Rest seiner Tage in Untätigkeit zu verharren. Er hat Seiner Hoheit, Ihrem erhabenen Gemahl und unserem allergnädigsten Herrscher eine bescheidene Bittschrift vorgelegt, um eine Anstellung an einem für sich und mich gesünderen Ort zu erhalten, und es ist diese Bittschrift, die gnädig in Erwägung zu ziehen ich Sie, Madame, beschwöre, indem Sie uns hoffen lassen, daß Sie uns eines besseren Schicksals für würdig erachten.

Madame, ich verbleibe mit dem tiefsten Respekt vor Eurer kaiserlichen Hoheit

Heidelberg, den 9. Mai 1812

Die untertänigste, gehorsamste und treueste Untertanin, Marie Schreiber, geborene Joubert