Heidelberger Geschichtsverein e.V. HGV

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(Februar 1996)

Ludwig Merz

Topographische Erkundungen in Alt-Heidelberg

Schwerpunkte meiner Heimat- und Stadtforschung

Der Stadt Heidelberg als Dank für die Verleihung der Bürgermedaille

Mein Einstieg in die Heimatforschung begann auf folgende Weise: Während meiner Ausbildungszeit zum Lehrer war ich als Schulpraktikant der Plöckschule, heute Friedrich-Ebert-Schule, zugeteilt und führte noch keine Klasse. Diese Gelegenheit in unmittelbarer Nähe der Universität benützte ich, um mittels eines Hörerscheins (für acht Mark) allgemeine Vorlesungen zu besuchen. So hörte ich bei Professor Salomon-Calvi "Das Werden der Heidelberger Landschaft", bei Professor Wahle "Frühgeschichte des unteren Neckarlands" und bei Professor Fehrle "Badische Volkskunde". Mein Interesse für Volkskunde wurde gefördert durch Besuche der Seminare von Fehrle. In seinem Auftrag baute ich zusammen mit einem Schreiner das Modell eines fränkischen Bauernhofs in Wieblingen, bei dessen Vermessung auch meine Schüler mithalfen. Es war der Beitrag zu einer Ausstellung über deutsche Bauernhäuser in der Universität, bei der ich auch Führungen übernommen hatte. In diesem Zusammenhang schickte mir der Professor auch Studenten, die in meiner Klasse bei volkskundlichen Unterrichtsthemen zuhörten. Im Jahre 1936 erschien dann meine erste Veröffentlichung in der Schulzeitschrift "Volkskunde in der Volksschule".

In der nun folgenden Abhandlung berichte ich über die Ergebnisse meiner Stadtforschung: Für die topographischen Erkundungen benötigte ich entsprechende Pläne uund Abbildungen. So war ich besonders erfreut, daß auf der Bürgermedaille ein alter Stadtplan als Flachrelief dargestellt ist. Für die Vorstellung vom Stadtbild Heidelbergs vor der Zerstörung war die Stadtansicht Merians von 1620 besonders zuverlässig. Nach diesem Kupferstich konnte vor meiner Zeit das Obertor am östlichen Stadtende bei der Plankengasse gekennzeichnet werden. Diesem Jakober Tor konnte ich eine Bildtafel der Jakobspforte hinzufügen. Für das Mitteltor stiftete der Verein Alt-Heidelberg eine große Darstellung in Bronze, wie das Tor bis zum Jahre 1827 vor seinem Abbruch ausgesehen hat. Für das Speyerer Tor und das Mannheimer Tor, deren Gedenktafeln beim Umbau verschwunden sind, entwarf ich die an der Ecke des Darmstädter Hofs angebrachten Bildtafeln. Von mir stammt auch die Tafel mit dem Pferdekopf über dem Tränktor oberhalb des Brückentors. Desgleichen der Hinweis auf die Haspelpforte an der  B 37 in der Verlängerung der Haspelgasse zum Ufer. Die Drehhaspel sollte verhindern, daß freilaufende große Tiere zum Uferrand gelangen konnten. Beim Ausbau der B 37 kamen auch die Fundamente des ehemaligen Kornhauses zum Vorschein. Es war im Vergleich mit der Ufermauer, wie die Meriansche Stadtansicht zeigt, ein Stück gegen den Neckar vorgezogen. Sein Grundriß ist unterhalb des Brückenaffen mit Steinen flach ausgelegt. Des Kornhauses wegen sitzen beim Brückenaffen auch zwei Mäuschen auf der Ufermauer.

An der Südseite der Altstadt verfolgte ich die Freilegung der Fundamente des ehemaligen Schießtors am Ende der Schießtorstraße. Am Tor zum alten Judenfriedhof wurden nach dem Krieg zwei stark beschädigte Großmedaillen entfernt und gingen verloren. Nach einer Skizze, die ich einmal angefertigt hatte, wurden sie als Neuanfertigung von der Stadt in Auftrag gegeben. Die linke Medaille zeigt einen gepanzerten Arm mit einem Schwert als Zeichen des Krieges. Das rechte Medaillon trägt eine Taube mit dem Ölzweig als Sinnbild des Friedens und der Versöhnung, so wie der Vogel einst dem Noah zuflog. Bei Tiefbauarbeiten an der Kreuzung Seminarstraße/Kettengasse kamen Reste des ehemaligen Kettentors, auch Markbronner Tor genannt, zutage. Auch ein Stück der ehemaligen südlichen Stadtmauer und deren Anschluß an das Kettentor wurden sichtbar. Dabei ergab sich, daß diese Südmauer einmal in der Mitte der heutigen Zwingerstraße verlief. Die letztere ist also eindeutig nach Süden verbreitert worden. Im Zusammenhang mit diesen Tiefbauarbeiten kam jenseits des Kettentors am Unteren Faulen Pelz der gemauerte Mantel eines Brunnens zutage. Er lag also bereits auf dem Gebiet der Bergstadt. Er war noch so dicht, daß er während des Krieges als Vorratsbehälter diente, für den Fall, daß es in der Haftanstalt brennen würde. Von der genannten Bergstadt, heute Schloßberg, wurde folgendes festgestellt: Sie zog, nach Osten etwas abgesetzt, vom Hexenturm entlang der Universitätsverwaltung bergwärts bis zum Keltertor am Schloßberg. Ein Stück der Mauer bildet die Rückwand eines Lagerraums der Fa. Romer. Dann folgt bergwärts die Einfahrt zum Schloßberg-Tunnel, heute Südtangente und Altstadt-Ausfahrt. Als dessen Flankenmauern abgetragen wurden, war ich zur Stelle. Da konnte ich feststellen, daß hinter dem Tunnel-Mauerwerk die Westmauer der Bergstadt zum Vorschein kam. Ich teilte dies umgehend dem Hochbauamt mit, und es wurde folgendes beschlossen: Die Steine der Stadtmauer wurden lageweise numeriert, abgetragen und lotgerecht wieder aufgebaut und stabilisiert. Somit flankieren sie heute die beiden Autotunnels. In der vor der Mauer liegenden gärtnerischen Anlage wurde aus Resten des erwähnten Kettenbrunnens oberhalb der Ketten(brunnen)gasse eine Pflanzenschale aufgebaut.

Zum Thema Peterskirche ist folgendes zu berichten: Die Kirche lag einst gegen den Berg wie auch stadtwärts frei auf dem Schutthügel des Klingenteichbaches. Als die Anlage wegen des einstigen Bahndamms aufgeschüttet wurde, erhielt sie an der Südseite die hohe Stützmauer der Straße, an der man die Höhe der Straßenaufschüttung ablesen kann. Und es gibt noch weitere Hinweise dafür: Die der Anlage zugewandten Kellerwände der Häuser und Pensionen "Akor" und "Monpti" entsprechen der Höhe der einstigen Stadtmauer an der Südseite der Voraltstadt. Der Weinkeller von Fehser, der unter dem einstigen Bahndamm und der heutigen Südtangente liegt, konnte einst ebenerdig erreicht werden, während man heute auf einer Außentreppe hinuntersteigen muß. Die Aufschüttung der Anlage, auf die ich hingewiesen habe, beginnt bereits an der Märzgasse, weshalb auch das Schießtor bzw. seine Fundamente wesentlich tiefer lagen und so auch von mir gefunden wurden.

Vom Hexenturm zog die Stadtmauer weiter über den Universitätsplatz, entlang der Westfront der Alten Universität zum Mitteltor und von da weiter zum Frauenturm an der Nordwestecke der Stadtverteidigung.

Nach dem großen Brand von 1693 wurde aus der zweitürmigen Uferverteidigung die Heuscheuer. Die Mauerkrone wurde aufgestockt bis zur Höhe der einstigen Türme. Der größte von ihnen, der Frauenturm, bildet heute noch die Nordwestecke der Heuscheuer. Einstmals diente er als Frauengefängnis und war mit einem Gitter vom Innenraum getrennt. Daher auch die Bezeichnung "Käfig". Im Obergeschoß der Heuscheuer lagerte Heu für die Pferde im Marstall. Das Erdgeschoß diente als Abstellraum für Wagen und Leitern der Feuerwehr. Zum Aufhängen der Wasserschläuche war an der Außenseite ein Gerüst angebaut. Beim Umbau der Heuscheuer für Hörsäle der Universität kamen auch die Treppen zum Vorschein, die einst zur Mauerkrone geführt haben. Die Mauer an der Südseite ist von der heutigen Freitreppe zu den Hörsälen aus noch zu sehen. Außerdem konnte man feststellen, daß beim Bau der Heuscheuer Baumaterial aus den Haustrümmern der Stadt verwendet wurden. Die Ausgrabungen des Archäologen Heukemes im Boden der Heuscheuer  ergaben mehrere Brandschichten. Über die Ergebnisse beim Umbau des Gebäudes habe ich damals in den Mitteilungen des Landesdenkmalamts berichtet.

Der nächste Abschnitt behandelt Beobachtungen bei Tiefbauarbeiten am südlichen Brückenkopf der Theodor-Heuss-Brücke. Hier stand im heutigen Gartengelände des Hauses Sofienstraße 1 der Rote Turm. Rot deshalb, weil er mit Ziegeln gedeckt war. Von ihm aus zog die Wehrmauer der westlichen Vorstadt über das Speyerer Tor - St.Annagasse bis zum schiefergedeckten Blauen Turm an der Kreuzung Sofienstraße/Ebertanlage. Am Roten Turm konnte ich ein Stück der daran anschließenden Stadtmauer feststellen. Tiefbauarbeiten zeigten, daß die Stadtmauer dem Hauseingang an der Südseite des Hauses Sofienstraße 1 mit ihrem Fundament unter dem Kellerboden bis an den Ufergarten durchzieht. Aus statischen Gründen ist sie im Hinblick auf den Kellerboden überwölbt. An der Außenseite des Durchgangs zwischen Sofienstraße 1 und der Buchhandlung Braun wurde eine Schießnische mit einer Schießscharte ausgegraben. Sie beweist, wie hoch man das Gelände an der Zufahrt zur damaligen Friedrichsbrücke aufgeschüttet hat. Das Kurfüst-Friedrich-Gymnasium liegt deutlich höher als die Fahrtgasse. Hier hatten die Verteidiger über einem Fischerhäuschen eine Schanze aufgeschüttet. Sie sollte verhindern, daß Reiter über eine Furt in die Nordflanke der Stadtverteidigung eindringen konnten, was den kroatischen Reitern dennoch gelang. Bei Anbauten an der Rückseite des Gymnasiums kamen in der Tiefe Hausreste zum Vorschein. Unter dem heutigen Bismarckgarten wurde 1847 ein Hafen für das Überwintern von Schiffen ausgehoben. Er erwies sich jedoch als Fehlkonstruktion und wurde auch wegen seines üblen Geruchs bis 1874 wieder zugeschüttet. Bei Arbeiten am Brückenkopf der heutigen Theodor-Heuss-Brücke wurde die ehemalige Hafeneinfahrt wieder aufgedeckt, desgleichen die Kaimauer. Auch die schräg verlaufenden Schichtungen der allmählichen Aufschüttungen mit Stadtmüll kamen zutage, wie ich unter dem Darmstädter Hof feststellen konnte. Hier war sogar geplant, im Keller ein Café "An der alten Stadtmauer" einzurichten, was dann jedoch nicht geschah. Ein Stück der Mauer blieb beim Bau der Garage des Europäischen Hofs erhalten. An der Einfahrt steht der Gedenkstein für den Blauen Turm. Beim Aushub für einen Neubau des Postamts Sofienstraße 8/10 und der Tiefgarage konnte ich feststellen, daß diese im ehemaligen Stadtgraben zu liegen kam. Sowohl die Grabenböschung vor der Stadtmauer, die Escarpe, als auch die Steilwand des Stadtgrabens, die Contrescarpe, kamen zum Vorschein. Der gesamte Graben war im vergangenen Jahrhundert allmählich aufgefüllt und in unserer Zeit für die Anlage der Tiefgarage wieder ausgegraben worden. Der genaue Standplatz des schiefergedeckten Blauen Turms, einem Pulverturm, konnte nicht ermittelt werden.

Mannigfaltig waren die Funde, als die Hauptstraße ab Bismarckplatz bei der Erneuerung der Drainage von vorn bis hinten "aufgeschlitzt" war. Zunächst ergaben sich geologische Aufschlüsse wie etwa kieselbedeckte Wasserläufe vom Berg. Es zeigte es sich, daß die Ziegelgasse ein solcher Wasserlauf war. An der Fahrtgasse kam eine Verwerfungsspalte zum Vorschein, heute gekennzeichnet durch eine Stufe. Zwischen Hauptstraße und Kurfüst-Friedrich-Gymnasium machte eine tief versinterte Bodenquelle mit ihrer Härte dem Bagger zu schaffen. An vielen Stellen unter der Hauptstraße zeigte sich außer dem Kies auch Ufer-Aulehm. Dieser ist so fein, daß ich daraus ein "Katzenschälchen" brennen konnte. An manchen Stellen kamen sogar karbonierte Pflanzenreste der Ufer-Au zum Vorschein, die in der Universität untersucht wurden. Aufschlußreich waren auch die Aufgrabungen der Hauptstraße für die Stadtentwicklung. Man fand Brandschichten, die vielleicht noch von dem Großbrand im Jahre 1278 stammen, dem ein Großteil des mittelalterlichen Heidelberg zum Opfer fiel. Ab dem "Haus zum Riesen" konnte man die Aufschüttungen der Hauptstraße bis zum Universitätsplatz erkennen, die seinerzeit der Pferdebahn Schwierigkeiten bereitete. Der allmähliche Anstieg war notwendig als Ausgleich des Höhenunterschieds bis zum Schutthügel des Klingenteichbachs. So wurde an einem Haus an der Westseite des Universitätsplatzes festgestellt, daß der ehemalige Hauseingang beim Umbau zum Kellereingang wurde. Die Erkundungen am westlichen Ende zwischen Hauptstraße und Bismarckplatz ergaben folgendes: Auf einem Kupferstich von Isselburg über die Westbefestigungen sind die vorgeschobenen Schanzen aus dem Jahre 1622 abgebildet. Sie liegen tiefer als das Niveau der Stadt und benötigen deshalb einen Zugang. Dieser besteht nach dem genannten Kupferstich aus einem Tor. Es ist ein großes Tor für Geschütze und Verteidigungsgeräte und eine Pforte für die Verteidiger zu sehen. Nach der Schleifung der Befestigung wurden alle Schanzen zugeschüttet und damit auch das Tor. Bei Tiefbauarbeiten am Bismarckplatz kam überraschenderweise das Grabentor wieder zum Vorschein. Es wurde abermals zugeschüttet und liegt heute wohl erhalten kaum einen Meter unter dem Bismarckplatz. Bei Ausgrabungen um die Mitte des letzten Jahrhunderts kamen auch Reste des Speyerer Tors mit einigen Waffenfunden zutage. Das Tor lag am Anfang der St. Annagasse, der Torturm an der Stelle des heutigen Modehauses Christine.

Geht man auf der Hauptstraße weiter, dann kommt man an den Standplatz des ehemaligen Mitteltors. Hier zeigte sich unter der Hauptstraße vor dem ehemaligen Fundament des Tors eine Pflasterung. Sie sollte verhindern, daß Angreifer das Tor untergraben konnten. Unter dem südlichen Gehweg kam die Stützmauer zutage, welche die erste Aufschüttung des Stadtgrabens nach der Stadterweiterung gegen Westen abgrenzte. Die Auffindung der Jakobspforte, auch Neckargemünder Tor genannt, habe ich schon erwähnt. Es lag am östlichen Ende der Jakober Vorstadt. Dieses Tor wurde bereits vor dem Bau des Karlstors abgetragen. Bei der Ausgestaltung des Platzes um das Karlstor kam man zu neuen Erkenntnissen, von denen ich näher berichten will. Auf Abbildungen des Karlstors, als dieses mit seiner Kaimauer noch direkt am Neckarufer lag, läßt sich folgendes erkennen: Das Karlstor war der einzige Zugang zum Uferweg nach Schlierbach und Neckargemünd und konnte nicht umgangen werden. Es ruht auf einem Sockel in Form eines Pyramidenstumpfs, der mit seinen Eckbossen und Gesimsen dem Stil des Tors entspricht. Der Sockel steht in etwa sieben Meter Tiefe auf einer in den Granit gehauenen Felsplatte. In seinem Innern birgt er das ehemalige Gefängnis, und darunter fließt das Bergwasser im Kanal. Der endet am Ufer in einer Wasserpforte, die am Rande eines Anlegeplatzes für Schiffe liegt. Als das Tor einen Umgehungsweg erhielt, wurden Torsockel und Kaimauer restlos zugeschüttet. Bei den erwähnten Umbauarbeiten kamen obere Teile des Torsockels und Uferstützmauern wieder zutage, um dann abermals zugeschüttet zu werden. Ein Gedenkstein aus der Kaimauer erinnert noch an deren einstigen Verlauf.

Am Ende meines Berichts über die Schwerpunkte meiner topographischen Erkundungen möchte ich auf folgendes hinweisen: Die Standorte von Toren und Türmen waren bereits vorher bekannt und durch Gedenksteine gekennzeichnet. Mir oblag es, die Objekte archäologisch nachzuweisen. Jedoch das Grabentor unter dem Bismarckplatz war unbekannt, und von dem Sockel des Karlstors, der ebenfalls noch in der Erde ruht, waren zuvor keine archäologischen Hinweise bekannt. Desgleichen war die Lage des Neckargemünder Tors unbekannt.

In Handschuhsheim gibt es einen Kapellenweg. Bei tiefergehender Straßenarbeit zwischen dem genannten Weg und der Handschuhsheimer Landstraße wurden die Reste jener Kapelle aufgedeckt. Sie lagen außerhalb des ehemaligen Dorfgrabens und dicht an dessen Rand. Das war auch der Grund, weshalb die Kapelle baufällig wurde.

Wenn ich in bezug auf meine Forschung nicht von archäologischen Grabungen, sondern von archäologischen Beobachtungen spreche, so hat das diesen Grund: Es standen mir für solche Grabungen und das dazu gehörende Zeichnen und Vermessen keine Fachkräfte zur Verfügung. Auch hatte ich dazu keine Berechtigung vom Landesdenkmalamt. Deshalb möchte ich bekunden, daß alles, was ich archäologisch beobachtet und berichtet habe, auf meine Verantwortung geht.

Nach dieser Darstellung der Schwerpunkte meiner topographischen Erkundungen im Stadtgebiet wende ich mich nun dem Stadtwald zu. Das Thema bezieht sich auf die Bergbefestigungen bei der Belagerung Heidelbergs durch Tilly im Jahre 1622. Hierüber gibt es einen zeitgenössischen Bericht "RELATIO HISTORICA POSTHUMA OBSIDIONIS HEIDELBERGENSIS" mit Belagerungsplan. Außerdem hatte ich das Original der Darstellung der Belagerung von Merian erworben. Von da an ging ich längere Zeit in den Wäldern beiderseits des Neckars auf die Pirsch. Anhand der Belagerungspläne und einer Ablichtung der Merianschen Darstellung suchte ich nun die ehemaligen Bergbefestigungen zu erkunden. Über den Trutzkaiser und den Trutzbayer hatte ich bereits in der "Ruperto Carola" berichtet. Zunächst durchwanderte ich den südlichen Stadtwald und fand auch Schanzen und Gräben, die mir, wie ich feststellte, bereits von meinen Spielen in der Jugend bekannt waren. Zu dieser Erforschung der Bergschanzen bedurfte es natürlich einer näheren Erkundung der oberen Burg, dem "Alten Schloß" an der Stelle der heutigen Molkenkur. Als Unterlage diente mir der Ausgrabungsplan von Karl Pfaff aus dem Jahre 1902 und die Zeichnung von Kurfürst Ottheinrich. Die obere Burg wurde bekanntlich 1537 durch Blitzschlag zerstört und 1622 zum Schutz des Schlosses als "Burgschanze" befestigt. Auch hierüber liegt von mir ein Bericht in der "Ruperto Carola" und in der "Badischen Heimat" vor. Nach Abschluß der Erkundungen im südlichen Stadtwald gab der Heidelberger Verkehrsverein bei meinem Malerfreund Karl Öchsler die entsprechenden Schautafeln und Markierungen des "Historischen Pfads" in Auftrag. Erneuert wurden die an Bäumen hängenden Bildtafeln durch den Maler Karl Lamade. Beide Künstler leben nicht mehr, weshalb ich ihnen an dieser Stelle ehrend meinen Dank aussprechen möchte. Der Historische Pfad war durch das Unwetter vor einigen Jahren durch querliegende Bäume gesperrt und wird jetzt wieder begehbar gemacht. Zu diesem Pfad verfaßte der in der Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs bewanderte Freund Gerhard Walther ein Faltblatt, das in der nächsten Zeit erneuert und verbessert wird. In allem findet das Projekt weitgehende Unterstützung durch den Verkehrsverein und das Staatliche Forstamt. Zur Ergänzung des Pfades auf der südlichen Bergseite entstand am Hang des Heiligenbergs der "Schaupfad" mit Bildtafeln, die auf Schanzen, Lager und Hohlwege aus vergangener Zeit hinweisen. Auch diese werden erneuert. Die Lehrpfade gehören zum Projekt "Naturpark Odenwald/Neckarland".

Als ich der Schutzgemeinschaft Heiligenberg den Vorschlag unterbreitete, für die beiden aufgegebenen Siedlungen Dagersbach und Hillenbach Gedenksteine zu setzen, leitete mich folgender Gedanke: Die Vorfahren manches Bewohners von Neuenheim und Handschuhsheim stammen aus diesen Dörfern und sind von dort aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen ausgewandert. Sie sollten aber ihre alte Heimat nicht vergessen, wenn auch alles schon weit zurückliegt. Außerdem spielt die Engelskirche von Dagersbach noch lange eine Rolle im religiösen Leben als Station für Wallfahrten zu den Klöstern auf dem Heiligenberg und auch im Reich der Sagen.

Wann begann ich nun, mich für Ausgrabungen zu interessieren? Das war 1927 in der Prima der Oberrealschule. Unser Professor Geißinger hat uns im Geologieunterricht darüber belehrt. Beim Abitur kam dann auch ein Thema über "Spuren der Frühgeschichte in unserem Raum". Darüber habe ich später, wie schon berichtet, bei Professor Wahle Vorlesungen gehört, als ich an der Plöckschule, heute Friedrich-Ebert-Schule, zum Vorbereitungsdienst eingesetzt war. Die Grundbegriffe für archäologische Beobachtungen und Beurteilungen von Funden erhielt ich von unserem Archäologen Berndmark Heukemes. Sie bezogen sich zum größten Teil auf die römerzeitlichen Ausgrabungen in Neuenheim. Als neben meinem Haus eine römische Töpferwerkstatt zutage kam, habe ich selbst beim Ausgraben geholfen.

Auch die alte Bezeichnung eines Weges führte zu einem archäologischen Aufschluß. Die Gerhart-Hauptmann-Straße, die an der Nordseite des ehemaligen römischen Steinkastells vorbeizieht, hieß früher "Krummer Weg". Sie zeigt nämlich zwei entgegengesetzte Krümmungen an der Stelle der Nordwestecke und der Nordostecke des Kastells. Die Ausgrabungen ergaben, daß das gerade Mittelstück auf der Aufschüttung des nördlichen Kastellgrabens liegt. Dieser Krumme Weg zweigte einst von der römischen Straße nach Ladenburg im Neuenheimer Feld ab und zog über die heutige Quinckestraße, um vor der Wilhelm-Blum-Straße in die Ladenburger Straße zu münden. Bei einem Neubau neben meinem Haus auf der Nordseite der Quinckestraße habe ich auch diesen Teil des Krummen Wegs ein Stück weit verfolgen können.

Noch eine andere Straße brachte eine Überraschung, die Rohrbacher Straße. An deren Bergseite stand etwa gegenüber der Einmündung der heutigen Kaiserstraße die Farbenfabrik Fries. Der Besitzer war der Vater der drei Künstler Ernst, Bernhard und Wilhelm Fries. Die Gedenktafel wurde leider nicht wieder angebracht. Im Keller des Hauses fand man in unserer Zeit Krappwurzeln, aus denen im letzten Jahrhundert roter Farbstoff gewonnen wurde. Später stellte man auch sogenanntes Waschblau her. Eines Tages teilte mir ein früherer Schüler mit, seine Arbeiter hätten in einer Seitenstraße der Rohrbacher Straße bei Grabarbeiten zerschlagene Tonrohre gefunden. In allen sei ein dicker blauer Rückstand zu finden. Eine Probe hatte er mir mitgebracht, die aus der Aufschüttung der Straße stammte. Der an der Rohrbacher Straße an ihrer Bergseite offen fließende Bach, der vom Steigerweg kommt und in den Neckar fließt, führte damals blaues und vermutlich auch einmal rotes Wasser. Es sei bemerkt, daß beide Farben organischen Ursprungs sind.

Wie der Plan des Schloßgartens zeigt, sollte einmal an seiner Nordwestecke ein sogenanntes Lustschlößchen entstehen. Dieses hätte eine weite Sicht in das Tal und in die Ebene ermöglicht. Leider wurde nur der Sockel des Gebäudes fertig. Aus der Stadtansicht von Merian sind an dieser Stelle gerade die Bauarbeiter mit dem Tretkrahnen für die Quadersteine beschäftigt. Zwei Jahre später, vor der Belagerung der Stadt durch Tilly im Jahre 1622, wurde das Fundament des geplanten Bauwerks in eine Schanze umgewandelt. Sie sollte gemeinsam mit dem Karlsturm das Friesental sperren. Als 1689/93 die Franzosen Heidelberg einnahmen und die Befestigungen sprengten, war auch diese Redoute dafür vorgesehen. Am Friesenberg lag jedoch ein katholisches Gymnasium, dem durch eine Sprengung große Gefahr drohte. Auf Bitten des leitenden Geistlichen wurde eine Sprengung ohne Breitenwirkung vorbereitet. Die Fundamente der Redoute wurden so ausgebrochen, daß nur noch Stützen aus dem Mauerwerk stehen blieben. Diese wurden dann gezielt gesprengt, so daß das Mauerwerk in sich zusammenstürzte, ohne daß Steine weit umher geschleudert wurden. Die Erlaubnis für diese "milde" Art der Sprengung soll die "höchste verantwortliche Stelle" gegeben haben. Die Fundamente dieser Redoute habe ich entdeckt. Sie wurden durch einen Hinweisstein gekennzeichnet. Einen Bericht darüber brachte ich in der Ruperto Carola.