Heidelberger Geschichtsverein e.V.

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Ludwig Merz: Heidelberg im Tal und Heidelberg am Berg

Zuvor ein Vergleich mit Wimpfen im Tal und Winpfen am Berg: Die Bedeutung von Wimpfen am Berg hängt mit der alten Kaiserpfalz zusammen. Seine Bewohner hatten unmittelbare Verbindungen zur kaiserlichen Burg. In Wimpfen im Tal hatten sich Menschen angesiedelt, für die der Neckar eine Erwerbsquelle bedeutete, wie z.B. Fischer, Schiffer und Flößer. Ähnlich dürften die Verhältnisse in „Heidelberg im Tal“ gewesen sein. Hier wohnten Fischer, Schiffer und Handwerker. Von diesen war jedoch ein Teil bestrebt, sich in der Nähe der „Unteren Burg“, der Vorgängerin des Schlosses anzusiedeln.

Als im Jahre 1392 die Stadt bis zum Talausgang erweitert wurde, entstand durch den Zuzug von Bewohnern des Dorfes Bergheim ein eigenes Gemeinwesen im Tal. Die Bewohner, die sich im Schutze der Burg am Berge angesiedelt hatten, bildeten ebenfalls eine eigene Gemeinde, Bergstadt genannt. Sie war durch eine Mauer von der Talstadt getrennt. Diese Mauer bildete bereits zuvor deren südliche Stadtmauer und verlief entlang der Nordseite der heutigen Seminarstraße vom Hexenturm aus über das Kettentor am Ende der Kettengasse, und weiter entlang der Südseite der Zwingerstraße bis zum Burgweg.

Die einzige Verbindung zwischen Talstadt und Bergstadt bildete das bereits erwähnte Kettentor am Bergende der Kettengasse. Der Name des Tores kommt von einem Kettenbrunnen, der einst bei dem Tor stand. Er wurde in unserer Zeit am Aufgang zum Unteren Faulen Pelz wieder aufgedeckt. Sein Mantel bildet jetzt eine Pflanzenschale an der Einfahrt zum Autotunnel oberhalb der Peterskirche. Die beiden Tunneleingänge führen durch die noch sichtbare restaurierte Westmauer der alten Stadt vor der Stadterweiterung 1392. Diese Mauer zog bis hinauf zum Keltertor, von dem jetzt berichtet wird.

Den Hauptzugang zur Bergstadt bildete das Keltertor, das auf dem Kupferstich von Merian vom Schloßberg um die Mitte des 17. Jahrhunderts abgebildet ist. Die Bergstadt erhielt unabhängig von der Talstadt das Stadtrecht. Ihre Bewohner standen ausnahmslos im Dienst des Schlosses. Ein Teil war mit Reinemachen, Wäsche und Pflege der Gebäude und des Schloßgartens beschäftigt. Bei Festlichkeiten hatten sie die Gäste zu versorgen, z.B. durch Zu- und Abtragen von Speisen und Getränken. Zur Kühlung der Getränke wurden in den Weihern im Schloßgarten und am Wolfsbrunnen Eis geschlagen und in Eiskellern aufbewahrt.

An Berufen waren in der Bergstadt folgende vertreten: Waffenschmiede, Kunstschlosser, Goldschmiede und Kunstschreiner. Zudem wohnten in der Bergstadt die kurfürstlichen Jäger mit ihren Jagdhunden. Außerdem waren da Geschäfte für den Lebensunterhalt, wie Bäcker, Metzger, Gemüsehändler und Fischverkäufer.

Von der Anwesenheit des letzteren zeugt noch ein Fischbrunnen mit einem Einsatz zum Frischhalten der Tiere. Er wurde vom Verein Alt-Heidelberg in selbstloser Weise restauriert und der Liselotte von der Pfalz gewidmet, wie eine Tafel bezeugt. Liselotte hatte in ihren Briefen vieles von den Bewohnern der Bergstadt berichtet, mit deren Kindern sie großwuchs. Diese zogen auch mit ihren Sommertagsstecken hinauf zu ihr ins Schloß und bekamen als Geschenk eine Brezel, ein Paar Schuhe und eine Flasche Wein.

Weitere Pflichten für die Bewohner der Bergstadt waren z.B. die Aufnahme und Pflege von kranken Bediensteten aus dem Schloß, die Begleitung des Kurfürsten auf Reisen, Wachdienste und natürlich der Einsatz bei der Verteidigung des Schlosses.

Für diese Dienste im Schloß erhielten die Bewohner der Bergstadt gewisse Privilegien, wie Befreiung von Steuern, vom Brückenzoll, von Verbrauchssteuern für Wein, sofern die Trauben auf dem eigenen Weinberg wuchsen. Besteuert wurden jedoch die Getränke, die „auf den Gassen geschenket wurden“. Ferner durften die Bergstädter freien Handel sowohl auf den Wochen- als auch auf den Jahrmärkten treiben. Sie brauchten keine Bürgersteuer zu bezahlen und bekamen auch keine Einquartierungen zugewiesen. All diese Rechte und Pflichten werden als „Burgfreiheit“ bezeichnet, von welcher im folgenden die Rede sein soll.

Die „Burgfreiheit“ der Bergstadt

Der Schwerpunkt der „Burgfreiheit“ lag in der Burg, weshalb die eigene Gerichtsbarkeit der Bergstadt Burggericht hieß. Gerichtsherren waren die Pfalzgrafen, später die Kurfürsten als letzte Instanzen. Ihre Stellvertreter waren die Burgvögte, später Burggrafen genannt. Das Burggericht selbst bestand aus sechs Mitgliedern. In gewöhnlichen Gerichtssachen führte der Schultheiß, später Gerichtsbürgermeister genannt, den Vorsitz. Er wurde von der Herrschaft ernannt, während die Beisitzer, die Gerichtsmänner, gewählt wurden. Das „Gericht vom Schloßberg“ hatte kein eigenes Siegel. Siegelungen führte der Burggraf mit seinem Siegel durch. Er hatte auch den Vorsitz in Kriminalsachen.

Aufgrund ihrer eigenen und von der Talstadt unabhängigen Stadtverwaltung hatte die Bergstadt einen eigenen Bürgermeister in einem eigenen Rathaus. An diesem war das Zeichen der „Kleinen (?) Gerichtsbarkeit“ angebracht. Es bestand aus einem Sandstein-Relief, das eine abgehauene Hand auf einem Block und darüber ein Beil zeigt. Es befindet sich heute im Kurpfälzischen Museum.

Die Bergstadt bekam auch eine Fahne verliehen, die in der Schloßkapelle geweiht worden war. Auch bei sonstigen feierlichen Gelegenheiten durften die Bewohner der Bergstadt die Schloßkapelle besuchen. Der Schloßkaplan wohnte am Schloßberg. Das Haus ist restauriert und zu erkennen an der kleinen Nische für eine Madonna zwischen den Fenstern des ersten Stockes.

Im allgemeinen besuchten die Bewohner der Bergstadt gemeinsam mit den Bürgern der Talstadt die Peterskirche. Deren Pfarrhaus stand an der Stelle des Hauses Breitwieser. Mit den Bürgern der Talstadt teilten sie auch den Friedhof an der Peterskirche. Dieser liegt heute ca. 3,50 Meter unter der Aufschüttung der „Anlage“.

Nach der Zerstörung Heidelbergs im Orléanischen Erbfolgekrieg 1692/93 drohte der Bergstadt die Auflösung. Kurfürst Karl Philipp (1716-42) begann zwar den Wiederaufbau der Stadt und des Schlosses. Jedoch wegen des Streites um die Trennungsmauer in der Heiliggeistkirche verlegte Karl Philipp 1720 die Residenz nach Mannheim.

Sein Nachfolger, Carl Theodor (1742-99) verordnete am 13. Februar 1743 von Mannheim aus die Auflösung des Burggerichts auf dem Schloßberg zu Heidelberg. Gleichzeitig sollte die Verwaltung der Bergstadt in die der Talstadt überführt werden. Daß diese Auflösung einer alten Ordnung, die mehr als 500 Jahre lang gegolten hat, schmerzlich empfunden wurde, ist begreiflich. Man wies darauf hin, daß bereits unter Friedrich dem Siegreichen (1449-76) die Privilegien erneuert worden waren. Die Unterlagen waren jedoch im Rathaus bei der Stadtzerstörung verbrannt.

Als der Kurfürst trotzdem eine Abordnung schickte, welche die Stadtakten und die Fahne abholen sollte, verweigerte man diesen den Zutritt. Darauf wurde Militär eingesetzt, gegen das man das Rathaus verbarrikadierte. Die Soldaten drangen gewaltsam ein, bemächtigten sich der Akten und vermutlich auch der Kasse. Die Fahne gab man jedoch nicht in fremde Hände, sondern trug sie hinunter ins Rathaus der Talstadt. Folge dieser Auseinandersetzung war, daß die Bewohner der Bergstadt dem Kurfürsten den jährlich zu leistenden Bürgereid für das Jahr 1744 verweigerten. Den folgenden Bürgereid leistete man jedoch 1745 anläßlich des Geburtstages von Kurfürst Carl Theodor.

Was war jetzt das weitere Schicksal der Bergstadt und ihrer Bewohner? Die Priviegien der Burgfreiheit hatten sie verloren. Diejenigen Mitbürger, die im Dienste des Kurfürsten standen, waren mit dem Hof nach Mannheim übergesiedelt. Die Handwerker, die ursprünglich für den kurfürstlichen Hof gearbeitet hatten, suchten jetzt in der Talstadt ihr Auskommen, soweit sie nicht mit nach Mannheim gezogen waren. Die in der Bergstadt, nunmehr Schloßberg geheißen, zurückgebliebenen Männer fanden Arbeit beim Wiederaufbau der Stadt. Andere arbeiteten außerhalb Heidelbergs beim Straßenbau, der unter Kurfürst Carl Theodor besonders betrieben wurde.

Auf eine Erwerbsmöglichkeit sei hingewiesen, die nicht alltäglich war. Außer der Flickschuster und Flickschneiderei kam zur Heimarbeit die Herstellung von Spielzeug. Dieses war aus Holz hergestellt und mit einfachen Instrumenten bearbeitet. Vermutlich stand auch eine fußbetriebene Drechselmaschine zur Verfügung. Jedenfalls wurde es gerne gekauft, sonst hätte man den Schloßberg nicht als „Klein Nürnberg“ bezeichnet.

Die beginnende Verarmung konnte jedoch auch bei diesem bescheidenen Broterwerb nicht aufgehalten werden. Vor allem machte sich diese beim Zustand der Häuser bemerkbar. In einem Schreiben von 1816 zum Beispiel heißt es: „Viel Dürftigkeit ist hier.“ Oder in einem solchen von 1808: „...wo sich die armen Menschen vom Steinbrechen für das Schloß ernähren.“ Selbst Goethe stellte fest, daß hier am Schloßberg Armseligkeit herrschte. Allgemein sprach man mitleidsvoll von den „armen Leut vorm Berg“. Wer heute den Schloßberg aufsucht, kann sich das Geschilderte wohl kaum vorstellen.

Die baulichen Veränderungen am Schloßberg begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von 1873 bis 1875 wurde die Neue Schloßstraße angelegt. Sie forderte, daß vor dem steilen Anstieg in der Breite der neuen Straße abgetragen werden mußte, um die Kehre zum Oberen Faulen Pelz zu gewinnen. Dieser Einschnitt macht es notwendig, eine Treppe zu bauen, um die oben stehenden älteren Häuser erreichen zu können. Für die Neugestaltung des unteren Schloßbergs mußte auch 1877 das Keltertor abgetragen werden. Eine Schautafel, vom Verein Alt-Heidelberg gestiftet und an der hohen Stützmauer angebracht, erinnert an das Tor. Die sich einst an dessen Südseite anschließende südwestliche Eckbastion war schon vorher eingeebnet worden. Sie war als Schutz gegen Angriffe vom Klingenteich herunter gebaut worden. Im Jahre 1998 kamen bei Tiefbauarbeiten hinter dem Haus Breitwieser die starken Grundmauern dieser Bastion zutage.

Die Umgestaltung des oberen Schloßbergs vor dem Schloß und oberhalb der Kreuzung mit der Neuen Schloßstraße erfolgte mit dem Bau der Bergbahn. Sie wurde 1890 eröffnet, zunächst mit den Stationen Schloß und Molkenkur. In diesem Zusammenhang wurden Häuser, unter anderem das Rathaus der Bergstadt und ein turmartiger Ausguck abgebaut. Der letztere diente einmal zur Überwachung des südlich vom Schloßberg liegenden Berggeländes. Die Bergstadt war hier nur durch Palisaden geschützt. Außerdem mündete hier ein von der Oberen Burg (Molkenkur) herunter führender Hohlweg.

Eine Idylle vom Schloßberg oberhalb des Kettentores und der Kelter zeigt der Kupferstich von Matthaeus Merian aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Das Kurpfälzische Museum besitzt das Original. Da es für einen „Guckkasten“ bestimmt war, ist es spiegelverkehrt dargestellt und wurde auf photographischem Wege gekontert, das heißt seitenrichtig wiedergegeben.
Ludwig Merz

Die Heidelberger Bergstadt

Bis zum Jahre 1743 bestand Heidelberg aus zwei selbständigen Stadtteilen, nämlich Heidelberg im Tal und Heidelberg am Berg. Über diese Bergstadt, erstmals 1350 erwähnt, soll im folgenden berichtet werden. Sie war durch die südliche Stadtmauer der Talstadt von dieser getrennt. Die letztere verlief vom Hexenturm hinter der Nordseite der Seminarstraße bis zum Kettentor oberhalb der Kettengasse. Das Tor wurde nach einem dort befindlichen Kettenbrunnen benannt, und es war der Zugang über den „Faulen Pelz“ zur Bergstadt. Deren Hauptzugang war jedoch das turmbewehrte Keltertor. Es hatte seinen Namen von der dort liegenden Stadtkelter (Schloßberg Nr. 1, Landespolizei). Die gewölbten Keller der Hofkellerei werden heute noch benutzt. Gegenüber an der mächtigen Stützmauer ließ der Verein Alt-Heidelberg eine Gedenktafel für das Tor anbringen.

Die Wehrmauer, die einstmals von der Südmauer der Talstadt zum Keltertor heraufführte, ist stellenweise noch sichtbar. Sie beginnt an der Westseite des Collegium Academicum (Universitätsverwaltung) über der Brunnenstube in der Seminarstraße und ist dann zugebaut. Weiter aufwärts kam die Mauer beim Abriß des Eisenbahntunnels zum Vorschein. Sie wurde restauriert und bildet jetzt die Flanken der beiden Autotunnels, ist allerdings stark überwachsen. Schloßberg Nr. 2 ist die lange Front des sogenannten Hauses Breitwieser. Es war einst Jesuitenseminar anstelle des Pfarrhauses von St. Peter. An dem Haus vor dem Oberen Faulen Pelz ist die Wappentafel einer Familie von Schmidt angebracht, ehemals Biersiederei mit Wirtschaft.

In die bereits erwähnte mächtige Stützmauer des Anwesens Nr. 4 führen Felskeller von Brauereien, in denen sogar Champignons gezüchtet wurden. Die heutige Wohneinheit der Stadt war einst eine Invalidenkaserne. An der Westseite gegen das Klingenteich lag zuvor das burgähnliche Haus der Herren von Affenstein.

Mit dem Haus Nr. 6, eines der wenigen an der Bergseite, beginnt der steilere Anstieg des Schloßbergs, das Kernstück der Bergstadt. Man sieht ältere Häuser mit Toreinfahrt und auch das ehemalige restaurierte Haus des Schloßkaplans, erkenntlich an der Nische für eine Madonna. Weiter aufwärts steht ein alter Brunnen mit einem eingelassenen Fischkasten. Er diente wohl einmal für Verkaufszwecke und wird in einem Brief der Liselotte erwähnt. Sie berichtet darin von den Anwohnern und den Kindern, mit denen sie einst spielte. Deshalb wurde ihr 1996 zum Stadtjubiläum der restaurierte Brunnen mit einer Gedenktafel gewidmet.

Weiter aufwärts folgt ein kleineres Haus mit Fachwerk. Ein Häuschen in einfachem Barockstil, gegenüber der Parkmauer mit dem Pavillon, wo Andenken verkauft wurden, ist leider verschwunden. Bemerkenswert auf dieser Seite ist noch ein Schalenbrunnen aus vergangener Zeit. Hier stand auch einmal ein Wachturm, von dem aus man einen Hohlweg überblicken konnte, der von der Oberen Burg auf der heutigen Molkenkur herabführte. Hier oben stand auch das Rathaus der Bergstadt.

Bauliche Veränderungen der Bergstadt

Wesentliche bauliche Veränderungen der Bergstadt brachte unser Zeitalter, indem Straßenverbindungen der Bergstadt mit der Talstadt angelegt wurden. Außer über den Weg durch das Kettentor über den „Faulen Pelz“ war die Kernaltstadt nicht mit der Bergstadt verbunden. Lediglich der Treppenweg Kurzer Buckel stellte eine (beschwerliche) Verbindung mit dem Schloßberg her. Er wird erstmals um 1700 genannt und zeigt heute noch kleine Häuser am Fuße der Schloßmauer. Auf Drängen der Altstadtbewohner wurde dann die Südmauer am Zwinger durchbrochen und die Bremeneckgasse angelegt, benannt nach dem bereits um 1400 genannten Bremeneckgarten. Mit der Anlage der Straßen „Unterer“ und „Oberer Fauler Pelz“ wurde der Zusammenhang zwischen den beiden Stadtteilen erweitert. Der Name „Fauler Pelz“ kommt von einem Wassergraben, in dem Gerber die Felle schwenkten.

Eine wesentliche Veränderung erfuhr die Bergstadt jedoch durch die Anlage der Neuen Schloßstraße (1873-75). Zur Finanzierung trugen u. a. die Mittel von Hermann Kleinschmidt bei. Wie eine Gedenktafel berichtet, vermachte er als unverheirateter Arzt sein ganzes Vermögen der Vaterstadt. Der Bau der breiten Straße erforderte einen Anschnitt des Schloßberges, um Raum für die Kurve zum „Oberen Faulen Pelz“ zu gewinnen. Zur Überwindung des dadurch für die darüberliegenden Häuser entstandenen Höhenunterschiedes mußte eine Treppe gebaut werden.

Eine weitere große Umgestaltung erfolgte durch den Bau der Bergbahn. Am 30. März 1890 wurde die erste Strecke von der Zwingerstraße über das Schloß bis zur Molkenkur eröffnet. Damit war die Verbindung vom Kornmarkt sowohl auf der Straße als auch mit der Bergbahn zum Schloß hergestellt.

Eine Vorstellung, wie der Schloßberg einmal ausgesehen hat, gewinnt man aus einem Kupferstich von Matthaeus Merian aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Das beschauliche Bildchen war allerdings für einen „Guckkasten“ bestimmt, weshalb es spiegelverkehrt dargestellt ist. Für unsere Veröffentlichung wurde es phototechnisch umgekehrt und ist damit seitenrichtig. Dadurch ist erstmals ein Vergleich mit den heutigen Gegebenheiten möglich. Der Turm in der Bildmitte ist das Keltertor. Die Gußerker auf dem Dach, die nach unten offen sind, dienen zur Verteidigung der Turmflanken. Der Blick durch den Torbogen geht hinaus auf das Vorgelände des Schloßbergs in Richtung Peterskirche. Rechts vom Tor steht die Stadtkelter mit ihrer hohen Einfahrt. Auf dem Dach sitzt der Aufbau für den Aufzug zum Lagerboden für die Trauben. Die zahlreichen Dachluken dienen der Durchlüftung des Dachraums. Auf dem Schornstein hat sich eine Storchenfamilie niedergelassen.

Links auf der Anhöhe steht das burgähnliche Haus der Herren von Affenstein, einst kurfürstlicher Untermarschall. Wie das Tor mit seinem Gußerker zeigt, war das Haus zur Verteidigung eingerichtet. In Vorhof spielen sich beschauliche Szenen ab. Sogar ein Gemüsegarten wird gepflegt. Zwei heitere Gesellen vor dem Keltertor kommen vermutlich von einer Weinprobe. Eine Mutter mit Töchterchen und ein Mann mit einer Rückentrage, in der er vielleicht Trauben abgeliefert hat, beleben den Vordergrund.

Das Klingentor hat keinen direkten Bezug zur Bergstadt, deren Zugang durch den Turm des Keltertores geschützt war. Es entstand erst nach 1620, ist also nicht auf Merians Kupferstich zu sehen. Das Klingentor wurde zur Sicherung des Zugangs vom Berg herunter durch den Klingenteich gebaut. Bereits 1599 hatten die Bürger verlangt, daß hier eine Sicherung geschaffen werde. Diese entstand zunächst in Form eines schweren, schmiedeeisernen Gittertores, das mit Beginn der Dunkelheit vorgeschoben und verschlossen wurde. Der Brunnen wurde in unserem Jahrhundert dem Mundartdichter Gottfried Nadler gewidmet.

Wer waren nun die Bürger, die in der Bergstadt wohnten? Zunächst Bedienstete des Schlosses, die nicht unmittelbar mit der Hofhaltung zu tun hatten, mit ihren Familien. Dann die Jäger des Kurfürsten, die auch die Hunde zu betreuen hatten. Die Hunde, die bei Großjagden eingesetzt wurden, die Meute, hatten ihren Zwinger in dem kurfürstlichen Hofgut in der Neckargasse, heute Fahrtgasse. Unmittelbar zu Diensten des Kurfürsten stand sein Waffenmeister, der hier seine Werkstatt und die Waffenkammer hatte. Einer der bedeutendsten war Georg Schwarzerd, der Vater des Reformators Philipp Melanchthon.

Aus den Briefen der Liselotte erfahren wir, daß hier oben auch besonders gute Handwerker tätig waren, wie Kunstschreiner, Kunstschlosser und Goldschmiede. Auch der Schloßgärtner und Betreuer des Schloßgartens und seiner Anlagen hatte in der Bergstadt sein Haus. Selbstverständlich standen zur Versorgung der Bewohner alle entsprechenden Geschäfte und Betriebe zur Verfügung. Nicht zu vergessen der Wächter des bereits erwähnten Wachturmes. Zum Waffenmeister sei noch ergänzend erwähnt, daß die Schmiede für Rüstungen nicht am Schloßberg, sondern in der Talstadt lag. Dort wird einmal ein Waffenschmied, ein „Harnister“ in der Kettengasse erwähnt. Nach allem ist zu sagen, daß die ehemalige Bergstadt über die Begrenzung des heutigen Schloßbergs hinausging.

Die Bergstadt und ihre „Burgfreiheit“

Die Sonderstellung der Bergstadt war wohl dadurch entstanden, daß die Bewohner, Schloß- und Hofgesinde, für ihre Dienste gegenüber der Herrschaft Privilegien erhielten. Die Verpflichtung der Bewohner bestand zunächst in mancherlei Diensten im Schloß. Um Beispiele zu nennen: Reinigung des Schlosses, Instandhalten des Schloßgartens und Freischaufeln der verschneiten Wege im Winter, Brechen des Eises in den Gartenteichen und am Wolfsbrunnen, Lagern des Eises im Eiskeller für Festlichkeiten. Bewohner der Bergstadt begleiteten den Kurfürsten auf Reisen im Gefolge und leisteten dabei Träger- und Botendienste. Erkrankte jemand von den Bediensteten im Schloß, dann wurde er seiner Familie in der Bergstadt zur Pflege übergeben. Bei Festlichkeiten im Schloß hatten Bergstädter überall zu helfen, wo es not tat, sowohl in der Küche als auch bei der Bedienung der Gäste. Standen keine Soldaten zur Wache auf dem Schloß zur Verfügung, dann mußten Männer der Bergstadt diesen Dienst tun. In Kriegszeiten wurden sie zusätzlich zur Verteidigung der Schloßbefestigungen herangezogen.

Für diese Dienste hatten die Bewohner der Bergstadt gegenüber denjenigen der Talstadt besondere Vorrechte. So brauchten sie etwa keine Steuern bezahlen, erhielten keine Einquartierungen, mußten keinen Tor- und Brückenzoll bezahlen und hatten noch weitere Vergünstigungen.

Entscheidend für die Selbständigkeit der Bergstadt war jedoch ihre eigene Verwaltung, zusammengefaßt in dem Begriff „Burgfreiheit“. Die Bergstadt besaß einen eigenen Bürgermeister, ein eigenes Rathaus am oberen Ende des Zugangs zum Schloß und eine eigene Bürgerfahne, die in der Schloßkapelle geweiht wurde. Außerdem war es ihnen gestattet, die Gottesdienste in der Schloßkapelle zu besuchen. Der Schloßkaplan selbst wohnte am Schloßberg, wo noch heute sein Haus zu finden ist. So durften die Bergstädter auch überall freien Handel treiben, was ihnen allerdings in der Talstadt nicht erlaubt war.

Entscheidend für die Selbständigkeit der Bergstadt war auch das Zugeständnis der Ausübung der „Kleinen Gerichtsbarkeit“ in allen Fällen, in denen die „Burgfreiheit“ verletzt wurde. Den Vorsitz und das Gerichtssiegel führte ein Burggraf, der vom Kurfürsten ernannt wurde und im Schloß wohnte. Von dieser „Kleinen (?) Gerichtsbarkeit“ zeugt ein Stein, der einst am Rathaus eingelassen war und heute im Kurpfälzischen Museum liegt. Er zeigt als Relief ein Beil, einen Holzblock und dazwischen eine Hand. Zu Gericht saßen sechs Bürger aus der Bergstadt, die gewählt worden waren und „Gerichtsbürger“ genannt wurden.

Niedergang der Bergstadt

Kurfürst Karl Philipp trug sich damals mit dem Gedanken eines völligen Aufbaus des im Orléanischen Kriege zerstörten Schlosses. Neue Dächer wurden aufgelegt, neue Fenster eingesetzt und die Wände neu belegt. In dem verwilderten Park wurden neue Wege zwischen den Beeten angelegt und Figuren aufgestellt.

Nun erlebte das Schloß noch einmal eine leider nur kurze Zeit des Glanzes - und Perkeo und das „Große Faß“ waren auch dabei.

Die zerstörten Gebäude sollten abgetragen werden und auf der planierten Fläche war ein riesenhaftes Barockpalais geplant. Die Häuser der Bergstadt sollten einer prächtigen Zufahrtsstraße weichen, auf mächtigen Bogen ruhend und mit Springbrunnen und Figuren geschmückt. Ihr Beginn ist etwa an der heutigen Märzgasse anzunehmen. Allein die Mittel fehlten und zudem brach der heftige Kirchenstreit des Kurfürsten mit Heidelberg aus, der Karl Philipp veranlaßte, die Residenz nach Mannheim zu verlegen. Das hatte zur Folge, daß alle Bewohner der Bergstadt, die unmittelbar mit der Hofhaltung zu tun hatten, nach Mannheim zogen. Damit verlor die Bergstadt ihre Selbständigkeit und die noch verbleibenden Bewohner ihre Vorrechte und ihre Arbeit.

Das führte zum wirtschaftlichen Niedergang und zur Verarmung der zurückgebliebenen Bewohner. Die „Leute vorm Berg“, wie sie von den Talstädtern genannt wurden, übernahmen schwere Arbeiten in den Steinbrüchen und beim Straßenbau. Selbst Goethe fiel bei einem Besuch die Armseligkeit in der Bergstadt auf. Als Bewohner eines „Notstandgebietes“ betrieben die Bergstädter auch Heimarbeit. So verfertigten sie unter anderem Spielzeug, so daß dieses „Klein Heidelberg“ bald „Klein Nürnberg“ genannt wurde.

Entscheidend für den Verlust der Eigenständigkeit war folgende Maßnahme des Kurfürsten Karl Theodor: Am 13. Februar 1743 löste er von Mannheim, seiner neuen Residenz, aus die Selbständigkeit der Bergstadt auf. Dieser Eingriff in eine Ordnung, die wohl vierhundert Jahre bestanden hatte, löste bei den Bergstadt-Bewohnern große Empörung aus. Sie verweigerten den Gehorsam und verwiesen auf ihre Selbständigkeit, welche bereits Friedrich der Siegreiche bestätigt hatte, indem er die Bewohner der Bergstadt von der Stadt im Tal durch eigene Mauern und Tore und Privilegien absonderte. Somit war die Bergstadt ein Teil des Schlosses selbst. Um die Unterlagen im Rathaus abzuholen, mußten Soldaten eingesetzt werden. Heftig verteidigten die Bergstädter ihre Fahne. Nach diesem Akt der Gewalt verweigerten die betroffenen Bürger dem Kurfürsten den jedes Jahr abzulegenden Bürgereid. Allerdings hatte die Bergstadt bereits einige Zeit zuvor an Bedeutung verloren, als unter Kurfürsten Karl Philipp die Residenz nach Mannheim verlegt wurde.

Der Verfasser hofft, daß er mit diesem Beitrag das Bewußtsein um die Tradition der ehemaligen Bergstadt verstärkt hat. Gleichzeitig empfiehlt er den Besuchern des Schlosses, einmal den beschriebenen Weg über den Schloßberg zu nehmen. Er wird dann feststellen, wie sich dieser zu seinem Vorteil verändert hat. Im vergangenen Jahrhundert hätten ihm die „Schloßesel“ auf ihrem Rücken den Weg erleichtert. Sie hatten ihren Standort an der Schmalseite des Hauses Breitwieser hinter dem Klingentor, wo ich noch die Halteringe gesehen habe. Ihre Tränke war das inzwischen restaurierte Nadlerbrünnlein hinter dem Tor.

Verwendete Literatur:

Hermann Wirth, Archiv für die Geschichte der Stadt Heidelberg, 1. Jahresband 1868

Herbert Derwein, Die Straßen- und Flurnamen von Heidelberg, 1940

F. P. Wundt, Geschichte und Beschreibung der Stadt Heidelberg, 1805

Ludwig Merz