Heidelberger Geschichtsverein e.V.

www.haidelberg.de

Ludwig Merz: Der Liselottebrunnen

Am Schloßberg steht ein alter Brunnen, den bereits Liselotte von der Pfalz in einem Brief erwähnt. Er ist ein Zeuge aus jener Zeit, als am Schloßberg noch Lebensmittel verkauft wurden wie Fleisch, Brot und auch Fische. Der Brunnen gehörte einem Fischverkäufer. Um die Fische lebend und somit frisch zu halten, schwammen sie in einem Fischkasten, der, in den Brunnentrog eingesetzt, noch erhalten ist. Dieser Brunnen wurde vom Verein Alt-Heidelberg in Eigenarbeit zum Jubiläum Heidelbergs 1996 restauriert und fließt noch.

Jeder Brunnen hat eine eigene Geschichte, sei sie wahr oder auch erfunden. Eine solche möchte ich in Erinnerung an unsere Liselotte erzählen:

Wiederum aus ihren Briefen kann man erfahren, daß sie in ihrer Kindheit mit den Kindern spielte, deren Eltern für das Schloß in Diensten standen. Diese brachten ihr auch beim Sommertagszug ein Ständchen und wurden dafür beschenkt. Dementsprechend heißt es in einem Vers des Liedes:

Höre Schlüssel klinge,
wolle uns was bringe.
Was dann?
Rote Woi mit Brezle noi,
was noch dazu?
Ä Paa neie Schuh.

Weiter ist aus ihren Briefen bekannt, daß sie gern und viel Kirschen aß, trotz der Warnung des Vaters, dem Kurfürsten Carl Ludwig. Der meinte, sein Töchterchen säße deshalb so lange auf dem Potschamber (Pot de chambre), weil sie nach dem Genuß der Kirschen Wasser getrunken habe. Von einem solchen Kirschengelage handelt die folgende Geschichte:

Auf der Anhöhe oberhalb des Keltertores stand das burgähnliche Haus des pfälzischen Untermarschalls von Affenstein. Seine Kinder zählten zu den Freunden unserer Liselotte. In dem Garten, der sich entlang den Klingenteich erstreckte, stand ein Kirschbaum mit vortrefflichen Kirschen. Eines Tages war Liselotte als Spielkameradin der Kinder Gast im Hause. Es war Kirschenzeit, und Liselotte ließ es sich schmecken. Nach diesem Kirschengelage machte sie sich auf den Heimweg den steilen Schloßberg hinauf. Dort traf sie eine ihrer Gespielinnen, das Töchterchen des Fischverkäufers. Bei der Begrüßung sagte diese: „Prinzessin“ (oder vielleicht auch nur Liselotte), „Ihr habt jo ä ganz blooes Göschel! - Doo geht an unsan Brunne unn macht Eich sauwa! Nähmt awa moi Dascheduch, sunscht merkts der Herr Vadda!“ Unsere Liselotte befolgte diesen freundschaftlichen Rat, wusch sich das „Göschel“ sauber, während ihr kleines Hundchen am Ablauf des Brunnens „schlapperte“. Dann gingen beide zufrieden nach Hause, das heißt ins Schloß.

Persönlicher Nachtrag:

Seinerzeit hatte ich die Ehre, den Brunnen einzuweihen. Es geschah nicht mit Sekt, sondern mit einem Schluck Brunnenwasser aus meinem Feldbecher. Nach unser aller Glückwunsch hinauf zum Schloß an unsere Liselotte stellte ich - wohl als einziger - fest, daß auf der Inschrifttafel der Name „Lieselotte“ stand, also ein E zu viel. Noch am selben Tag entfernte der flinke Bildhauer die Tafel mit dem E , und am anderen Tag stand hier eine neue Namenstafel ohne E. Als Weihegeschenk übergab mir der Verein „Alt-Heidelberg“ die „E-Tafel“ als Ehrengabe. Seitdem steht die Tafel an meiner Vogeltränke im Garten, was die Vögel gar nicht stört - sie können ja nicht lesen. Und Besuchern erzähle ich dann gerne die Geschichte mit der dazugehörenden Richtigstellung.