Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Beate Weber,

liebe Freunde Heidelbergs,

daß ich diese Stunde erleben darf, verdanke ich unserem Herrgott, der mich seit 87 Jahren in Heidelberg leben und wirken läßt. Ich habe meine Geburtsstadt - außer den fünf Kriegsjahren - nie verlassen. Hier versah ich auch 65 Jahre lang meinen Dienst als Lehrer. Seit 40 Jahren widme ich mich nun der topographischen Erforschung der Stadt, um deutlich zu machen, wie sich das Stadtbild im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Daß ich in meinem langen Leben von dieser Stadt noch vieles andere zu erzählen weiß, ist bekannt und macht meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern - und zuletzt auch mir - Freude. Für diesen Einsatz zur Erkundung der Geschichte meiner Heimatstadt Heidelberg haben Sie, Frau Oberbürgermeisterin, mir die Bürgermedaille verliehen. Ich danke Ihnen für diese Ehrung von Herzen. Ich nehme die Medaille auch als Anerkennung für diejenigen entgegen, die für mich aufmerksam Augen und Ohren offen halten, wie z.B. meinen Freund Manger, und weiter für alle, die selbst bemüht sind, neue Erkenntnisse über die Geschichte unserer Stadt zu finden. Wenn man so lange an einer selbstgewählten Aufgabe arbeitet, dann fragt man sich im Alter, wie es wohl weitergehen wird. Ich bin dankbar, daß ich mir darüber keine Sorgen zu machen brauche. Ich habe junge Freunde gefunden, wie Frieder Hepp und Christian Burkhart, die fachgerecht und wissenschaftlich betrachtet noch fundierter meine Themen aufgreifen und weiter bearbeiten.

Besonders betonen möchte ich, daß ich mit meinen Vorschlägen, wie zur Verdeutlichung des ehemaligen Stadtbildes durch Schautafeln, bei Ihnen, Frau Oberbürgermeisterin, stets gut ankomme. Das kann ich auch von den vorangegangenen Oberhäuptern unserer Stadt behaupten. Alt-Oberbürgermeister Reinhold Zundel überreichte mir seinerzeit das Bundesverdienstkreuz und berief mich in den Altstadtbeirat. Es war die Zeit der Altstadtsanierung. Dabei hat mich gefreut, daß er einen besonderen Wunsch von mir erfüllte. Er gab dem sanierten Wohngebiet zwischen Steingasse und Fischergasse nach einem alten Adelshof, der einmal dort stand, den Namen „Schöneck“. Auch bei den vorangegangenen Oberbürgermeistern Weber und Neinhaus wurden meine Vorschläge angenommen. So verhält es sich auch mit den damaligen und heutigen Ämtern der Stadtverwaltung.

Dieser blumengeschmückte Große Rathaussaal ist mir sehr vertraut. Seine schönen Glasfenster mit ihren geschichtlichen Darstellungen sind Stiftungen Heidelberger Bürger. Hier hielt ich auch meistens meine Vorträge für den Nachwuchs im Rathaus. Daß wir der Einladung von Frau Oberbürgermeisterin zu dieser wohlvorbereiteten Feier Folge leisten konnten, dafür sei Frau Paclik und dem Amt für Repräsentation gedankt.

Meinen Dank für die Bürgermedaille schließe ich mit einem Blick auf das Flachrelief darauf. Wie oft habe ich diesen Plan des alten Heidelberg bei meinen Erkundungen betrachtet.

Wenn es einer Bestätigung bedurfte, daß mein Wirken für Heidelberg anerkannt wird, so ist es die, daß der Gemeinderat der Verleihung der Bürgermedaille an mich einmütig zugestimmt hat. Dafür sei seinen Mitgliedern gedankt.

Die topographische Stadtforschung vollzieht sich nicht im Stillen, sondern sie braucht Hinweise und Anregungen aus der Öffentlichkeit. Hierüber möchte ich, beginnend mit den Stadtteilvereinen, dankend berichten. In der Weststadt verbrachte ich meine Jugendzeit. In zwei Jubiläumsbüchern des dortigen Stadtteilvereins sind Beiträge von mir enthalten. Dafür bekam ich 1994 die Jubiläumsmedaille.

Der Stadtteilverein Neuenheim, dem ich jetzt angehöre, hat zum Stadtjubiläum ein eigenes Projekt. An der Jahnstraße soll eine Schautafel aufgestellt werden, die veranschaulicht, wie das römische Steinkastell zwischen den heutigen Straßenzügen zu denken ist. Die Gestaltung wird das Kurpfälzische Museum übernehmen. Das Landschaftsamt gestaltet das dreieckige Plätzchen gärtnerisch zum „Kastellplätzchen“.

In den Jahrbüchern des Stadtteilvereins Handschuhsheim bringe ich alljährlich einen Beitrag. Von den Handschuhsheimern bekam ich auch die goldene Ehrennadel. Das Spannungsfeld meines Wirkens liegt zwischen der „Schutzgemeinschaft Heiligenberg“ und dem „Verein Alt-Heidelberg“, zu deren Ehrenmitglied ich mich zählen darf. Mit seinem heutigen Ehrenvorsitzenden Wilm Weber verbindet mich eine langjährige Freundschaft. Der Verein war auch der Ausgangspunkt meiner topographischen Stadtforschung. Erfreut bin ich, daß im Zuge der Renovierung der Brunnen am Schloßberg einer davon den Namen „Liselottebrunnen“ erhalten soll.

Die „Schutzgemeinschaft Heiligenberg“, für die ich einst Führungen auf dem Berg durchführte, erfüllte auch meinen Wunsch, für zwei aufgegebene Dörfer am Fuße des Heiligenbergs, nämlich Dagersbach in der Hirschgasse für dessen „Engelskirche“ in der Hölderlinanlage, und für Hillenbach, einst Nachbargemeinde von Handschuhsheim, Gedenksteine zu setzen.

Auch meine Vorschläge an die Stadtverwaltung, historische Hinweistafeln für das Speyerer Tor, das Tränktor mit dem Pferdekopf, und die Haspelpforte gegenüber der Haspelgasse zu setzen, wurden ausgeführt. Die große Bronzetafel an der Ecke des Universitätsplatzes zeigt das Mitteltor, wie es vor seinem Abbruch 1827 ausgesehen hat. Diese Tafel ist eine Stiftung des Vereins Alt-Heidelberg.

Aus Interesse, aber auch um für mein Forschen einen Rückhalt zu haben, trat ich in heimatgeschichtliche Vereine ein. Da ist der Kreis der Heimat- und Familienforscher, nach seinem Gründer „Albert-Metzler-Kreis“ genannt. Als ich bald darauf mit Vorträgen in der Volkshochschule und im Volksbildungswerk begann, fand in diesem Freundeskreis manche Aussprache über das vorzutragende Thema statt. Die Vorträge im Volksbildungswerk führten mich in die weitere Umgebung. Da ich kein Auto besitze, wurde es zuweilen spät, bis ich nach Hause kam. Daß dies meine Frau so verständnisvoll hingenommen hat, dafür danke ich ihr noch heute. Zu den, ich möchte einmal sagen „gemütlichen Veranstaltungen“ zählten die Vorträge im Süddeutschen Rundfunk, damals noch in der schönen Villa Bosch am Schloß-Wolfsbrunnen-Weg. Auch in der „Badischen Heimat“ wurde ich Mitglied und habe in deren Mitteilungsheften veröffentlicht. Als der Kraichgau verwaltungsmäßig geteilt wurde, rief der damalige Landrat Dr. Herrmann zur Gründung eines die Einheit wahrenden „Heimatvereins Kraichgau“ auf. Ich zähle zu seinen Gründungsmitgliedern und habe in den entsprechenden Jahrbüchern veröffentlicht. Seit der Gründung bin ich Mitglied des „Heidelberger Geschichtsvereins“.

Mein Dank gilt auch den Verlagen. Den Startschuß gab die Johannes-Guttenberg-Schule mit der Broschüre „Alt Heidelberg in Kupfer gestochen“. Die Heidelberger Verlagsanstalt brachte „Alt Heidelberg und seine Tore“, „Ängste und Nöte der Kurpfälzer über 500 Jahre“ und „Die Residenzstadt Heidelberg“ heraus. Zu dieser Ausgabe erschien auch eine Dia-Reihe in der Landesbildstelle in Karlsruhe. Zu der von Rudolf Lehr herausgegebenen mundartlichen Anekdotensammlung, zu dem kurpfälzischen Sagenbuch „Hookemann und Hexenritt“ und den „Geschichten aus dem Badnerland“ gab ich ebenfalls Beiträge. In dem Kalender „Unser Land“, der im Verlag der Rhein-Neckar-Zeitung erscheint, kam bis jetzt stets einer meiner Beiträge. Der Rhein-Neckar-Zeitung insgesamt danke ich, daß sie meine stadtgeschichtlichen Berichte und volkskundlichen Erzählungen aufnimmt. Daraus ergeben sich oftmals Gespräche mit Lesern, die mich erfreuen und die mir weiterhelfen.

Zum Schluß will ich noch zweier Persönlichkeiten ehrend gedenken. Die eine hat mir schon als Schüler Anregungen gegeben. Es war mein Deutschlehrer in der Prima der Oberrealschule in der Kettengasse, Professor Vierneisel. Die andere war mein Freund Herbert Derwein, damals Stadtarchivar, der mich zum Veröffentlichen ermunterte. Sein Buch „Die Straßen- und Flurnamen von Heidelberg“ sind mir stets ein aufschlußreiches Nachschlagewerk.

Liebe Freunde Heidelbergs, daß Sie sich zu dieser Feierstunde so zahlreich eingefunden haben, ehrt mich. Ihr Erscheinen ehrt aber gleichzeitig unsere Stadt. Bekunden Sie doch damit auch Ihre Liebe zu Heidelberg. Für beides danke ich Ihnen von Herzen.

Man könnte nach all dem, was ich Ihnen vorgetragen habe, fragen, was der Ursprung der Liebe zu unserer Stadt ist. Ich meine, diese Frage kann sich jeder unter Ihnen für seine Person selbst beantworten. Und fragen Sie weiter, dann werden Ihnen Dichter und Denker, Musiker und bildende Künstler ihre eigene Antwort geben: Es ist der alte Mythos Heidelbergs.

Heidelberg ist meine Geburts- und Heimatstadt. Es ist aber auch die Heimat meiner Mutter. Sie wuchs in der Unteren Neckarstraße auf. Der damalige Große Holzlauer war ihr Spielplatz. Sie erlebte als sechzehnjähriges Mädchen die Räumung dieses Lagerplatzes vom Langholz und die Verlagerung unterhalb der Alten Brücke. Der Wohnung meiner Großeltern gegenüber wurde die Festhalle für das Universitätsjubiläum 1886 errichtet und der ehemalige Holzlauer zum Jubiläumsplatz hergerichtet. Von all dem hat mir meine Mutter bereits als Junge vieles erzählt. Gar oft erklärte sie mir das meterlange Faltblatt mit der Darstellung des Festzuges, der mit seinen Kurfürsten, seiner Universität und ihren Studenten, den Weingärtnern und Landsknechten und nicht zuletzt mit seinem Perkeo ein Stück kurpfälzische Geschichte veranschaulichte.

Und weiter: Wir wohnten in der Albert-Mays-Straße in der Weststadt, wo ich im Haus Nr. 11a geboren wurde. Schon als Schüler interessierte ich mich für diesen Albert Mays. Ich erfuhr von einer Buchhändlersgattin, die im Haus wohnte und mir oftmals ein Buch lieh, mehr über diesen Rechtsanwalt. Er stiftete dem Kurpfälzischen Museum, damals „Städtische Sammlung“ genannt, vieles aus seiner umfangreichen Kunst- und Altertümersammlung. Und später dann als Oberrealschüler in der Kettengasse hatte ich einen Schulkameraden, dessen Vater Stadtbibliothekar war. Der gab mir manches über die Stadt zu lesen. Ich erinnere mich noch gut an diese erste Lektüre „Alt Heidelberg und sein Schloß“ von Wolfram Waldschmidt. - Ja, so fing es an.

Verehrte Anwesende, ich danke Ihnen nochmals für Ihren Besuch und fürs Zuhören, und bewahren Sie weiterhin Ihre Liebe und Verehrung für Heidelberg!

Ludwig Merz