Heidelberger Geschichtsverein e.V. (HGV)

Dr. Peter Sinn

Die Ebertplatz-Baugrube als geologischer Aufschluss

Einblicke in das Fundament der Heidelberger Altstadtterrasse

„Aufschlüsse“ sind für den im Gelände tätigen Geowissenschaftler Stellen, wo unter dem oberflächlichen Boden das anstehende Material freigelegt wird, so dass vertiefte Einblicke und Rückschlüsse möglich sind. Steinbrüche, Kies- und Sandgruben sind dabei in den letzten Jahrzehnten zunehmend durch Baugruben ersetzt worden. Der Ebertplatz lieferte einen einmalig großen Aufschluss von letztlich 80 x 33 x 13 m.

Abb. 1: Im Vordergrund lauter Kies, links der Baggerschaufel Schwemmlöss, darüber vom Bagger künstlich umgeschichtetes Material. Rechts Buntsandstein-Blöcke aus dem Kies.

Die geologische Aufnahme war allerdings behindert durch das jeweils unverzügliche Verbauen der Wände vor allem mit Betonpfählen. Das in vier Etappen tiefergelegte Grubenniveau erlaubte trotzdem folgende Beobachtungen und Folgerungen:

In den obersten Schichten der Südseite, also zur Anlage hin, konnten bereits die Archäologen die alte Stadtmauer feststellen und weiteren Kulturschutt, der in historischer Zeit von oben her den bis 3-4 m dicken gelblichen Schwemmlöss durchsetzte. Von dessen Bodengüte profitierten die 1392 von Bergheim hinter die Stadtmauer in den Bereich der Plöck umgesiedelten Bauern. Dieser Schwemmlöss ist ein nacheiszeitliches, ab ca. 12 000 Jahren vor heute entstandenes Neckarsediment, das der Fluss noch heute nach Hochwasser als gelblichen Schlamm absetzt. Vorher, also während der Eiszeit, wurden die Kiesmassen geschüttet, die den Aushub am Ebertplatz ca. 7 m dick dominiert haben. Immer wieder schloss der Kies große Blöcke („Findlinge“) meist aus Sandstein, vereinzelt aus Granit mit ein, die gesondert geborgen werden mussten. Aber auch der normale Kies ist vergleichsweise grob, vor allem wenn der rote Bundsandsteinanteil überwiegt, was an der Südseite, also zum Gaisberg hin, fast durchweg zu beobachten war.

 

Abb. 2: Oben der stark mit Buntsandstein-Brocken durchsetzte, unten der typische vom grauen Muschelkalk dominierte Neckarkies

Der typische Neckarkies besteht aus überwiegend grauem Geröll, in der Fraktion 2-6,3 cm zu etwa 50 % Prozent aus Muschelkalk, zu weiteren 20-30 %  aus hellgrau-weißlichem Juramaterial, das meist in ideal abgeflachter, abgerundeter Form auftritt. Es ist das Fernmaterial des Neckars aus seinem Quellgebiet in der Schwäbischen Alb.

Abb. 3

Selbstverständlich sind Transport und Ablagerung des Kieses nur unter eiszeitlichen Verhältnissen zu erklären. Während von den benachbarten waldfreien Hängen und den Nebenbächen sehr viel Verwitterungsschutt anfiel, entfaltete der Neckar in den kurzen sommerlichen Schmelzperioden eine solche Schleppkraft, dass er am Grund auch die großen Blöcke („Findlinge“) transportieren konnte, sogar bis weit ins Vorland des Neuenheimer Feldes und seinen aktuellen Uni-Baustellen.

Vereinzelt der Granit, besonders aber der Buntsandstein bilden das Nahmaterial des Ebertplatz-Kieses, das mit seinen großen, oft nur kantengerundeten Brocken zum Teil vom benachbarten Gaisberg stammt, vor allem aber von der tief eingeschnittenen Talung des nahen Klingenteiches, der als eiszeitlicher Schuttkanal sehr viele  Sandsteinblöcke geliefert hat. Eine Besonderheit des Neckarkieses war in der Aufschlussmitte zu beobachten, wo das Kalkgeröll ganz dominiert. Hier führte der hohe Kalkgehalt weithin zu einer Verbackung, zu einem Konglomerat (im Alpenvorland „Nagelfluh“ genannt).

Abb. 4: Rest einer großen verbackenen Kiesplatte („Nagelfluh“)

Nach etwa 8 m, also im unteren Drittel des Kieses. stellte sich das vorher bereits in diesem Niveau erbohrte Grundwasser ein. Dieses Wasser, das an der Baustelle jetzt abgepumpt wird, speiste früher einmal die zahlreichen Altstadtbrunnen. Der stauende Horizont, hier der anstehende Buntsandstein, weiter östlich in der Kernaltstadt der Granit, stellte sich 2-3 m tiefer ein bei ca. 102 m, wie ebenfalls in den Bohruntersuchungen vorab schon fixiert ist

 

   

Abb. 5: In der unteren Hälfte der anstehende, brüchige Untere Buntsandstein.Darüber Kies und Lehm ( teilweise vom Bagger umgelagert)

Rund 10 m Schwemmlöss und vor allem Kies weisen darauf hin, dass der letzteiszeitliche Neckar etwa ab dem Karlstor einmal südlich seines heutigen Laufs geflossen ist, dabei nicht in einem festen Bett, sondern als verzweigter Wildfluss. Bevor es zur definitiven Kiesablagerung kam, muss vor allem mit kräftiger Seitenerosion gerechnet werden, die die für die Existenz der Stadt unabdingbare Weitung des Heidelberger Tals zu einem „Taltrichter“ bewirkt hat. Nur zu einem solchen Verlauf hauptsächlich längs eines Königstuhl-Gaisberg-Prallhanges passt die Fortsetzung außerhalb des Gebirges in dem eindeutig nachgewiesenen „Bergstraßen-Neckar“. Diese Laufstrecke, die erst bei Trebur nördlich Darmstadt in den Rhein mündete, konnte im Heidelberger Bereich andererseits nicht rechtwinklig abgebogen sein.

Die eigenen Überlegungen führen zu dem Schluss, dass das jetzige Neckarbett bei Heidelberg ein geologisch ganz junges Gebilde ist, das etwa 9000 Jahre vor heute entstand, als dem Bergstraßen-Neckar der Durchbruch Richtung Mannheim gelang. Dies wirkte auf den Heidelberger Neckar zurück, der seinen Lauf verkürzend nun in die eigenen Ablagerungen einschnitt und sein Bett am Fuß des Heiligenbergs fixierte. Erst dabei entstanden das in der Regel hochwasserfreie Hochufer und die Altstadtterrasse, ohne die Heidelberg nicht denkbar wäre.

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Abb. 6: Luftbild aus dem Kalender DEUTSCHLAND VON OBEN 2009 von Gerhard Launer, Knesebeck Verlag München – aufgenommen zur Zeit der Kastanienblüte

Ausführliche Darlegung und Begründung in: Peter Sinn, Das geologische Fundament Heidelbergs – Stadtbild und Siedlungsgeschichte, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein, 1997.

Besonderer Dank an Herrn Diplom-Mineralogen Wengert von der Firma Töniges, Sinsheim, für die 2006 erarbeiteten Bohrdaten und die Unterstützung im Aufschluss.